Leserinformation zur 84. Ergänzungslieferung
Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,
für diese Lieferung wurden Einzelfragen zu § 370 AO bearbeitet: Fehlerhafte Aufzeichnungen und Buchführung (§ 370 Rz. 1200 ff.): Die Digitalisierung schreitet voran: Im Hinblick auf die Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern etc. in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff hat das BMF mit Schreiben vom 28.11.2019 Stellung genommen: Zunehmend sollen die zu führenden Bücher und Aufzeichnungen in elektronischer Form aufbewahrt werden. Es gelten hier die gleichen Prinzipien wie bei manuell erstellten Büchern und Aufzeichnungen. Für Steuerberater erfreulich ist der Umstand, dass diese für die Grundaufzeichnungen der Steuerpflichtigen nicht verantwortlich gemacht werden können: Fehler in diesem Bereich können ihm grds. nicht angelastet werden.
Fehlende Empfängerbenennung (§ 370 Rz. 1217 ff.): Das BMF hat sich mit Schreiben vom 19.7.2022 betreffend den Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen geäußert: § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist nicht anzuwenden, wenn der Leistungsempfänger seiner Verpflichtung zur Anmeldung und Abführung des Steuerabzugsbetrags nachgekommen ist oder ihm eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat. Hinsichtlich der betroffenen Gegenleistung entfällt die Versagung des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs. Zur Zumutbarkeit der Empfängerbenennung bei Ransomware-Angriffen: Hier erfolgt in der Regel die Zahlung an den Erpresser in Kryptowährung. Eine Empfängerbenennung ist in diesen Fällen nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht zumutbar, ein Betriebsausgabenabzug daher grds. möglich.
In den Abschnitt Unwirksame Geschäfte, Scheingeschäfte und Steuerumgehung (§ 370 Rz. 1230 ff.) wurde vor allem die umfangreiche neue Rechtsprechung der Finanzgerichte eingearbeitet.
Deliktische und sittenwidrige Einkünfte (§ 370 Rz. 1248 ff.): Immer wieder aktuell: Scheinrechnungen in der Baubranche. Nach einem Beschluss des BGH vom 12.1.2022 ist der entgeltliche Handel mit Scheinrechnungen nicht steuerbar i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Thema Ransomware-Erpressungen: Das Lösegeld, das an den Erpresser gezahlt wird, stellt steuerbare Einkünfte dar. Das Wiederfreischalten der Daten ist die Gegenleistung zur Zahlung des Lösegeldes und somit als Leistung im Sinne einer Marktteilnahme zu sehen.
Nachdem die vorherige Überarbeitung des § 392 AO zum Recht der Verteidigung (§ 392 Rz. 1 ff.) u.a. von der Neufassung des Pflichtverteidigerrechts geprägt war, konnten nun viele Urteile zu Zweifels- und Grenzfragen/Praxisfällen eingearbeitet werden. Aus dem Recht der Verteidigung ist zudem die Entscheidung des EGMR v. 25.7.2019 – 1586/15 zum Umfang des Aktenbegriffs und des Akteneinsichtsrechts erwähnenswert; das Einsichtsrecht sei "nicht eng zu verstehen [...] Vielmehr schließt er alles ein, was sich in der Hand der Behörden befindet und möglicherweise relevant ist, auch wenn es überhaupt nicht in Erwägung gezogen oder als nicht relevant angesehen wurde"; für den Verteidiger eine erfreuliche Verdeutlichung seines Akteneinsichtsrechts. Aus Sicht der Verteidigung ist auch die Klarstellung des AG Hamburg v. 22.2.2024 – 242 Ds 120/23, dass der Verteidiger zu Verteidigungszwecke die Akte auch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft weiterreichen kann, erfreulich. Aufgrund der Neufassung des Geldwäschetatbestands ist eine Überarbeitung des Abschnitts Geldwäsche durch Honorarannahme erfolgt. Die Neufassung hat das Geldwäscherisiko für den Steuerstrafverteidiger nochmals reduziert, denn im Standardfall der Steuerhinterziehung (Nichtabführungsfall) ist § 261 StGB nicht mehr einschlägig.
Diese Lieferung enthält schließlich die komplette Neubearbeitung des verfahrensrechtlichen Tatbestands des § 407 AO (§ 407 Rz. 1 ff.). Dabei wurden aktuelle Gesetzesänderungen und höchstrichterliche Rechtsprechung sowie neuere Literatur berücksichtigt. § 407 AO regelt die Beteiligungsrechte der Finanzbehörde im gerichtlichen Verfahren, in dem bekanntlich die Staatsanwaltschaft die Verfahrensherrschaft seitens der Verfolgungsbehörde übernimmt. Dabei geht es vor allem um Anhörungsrechte der Finanzbehörde. Sie soll auch zur Strafzumessung Stellung nehmen (vgl. Nr. 75 Abs. 3 AStBV (St) 2023/2024). Bei hohen Hinterziehungsbeträgen wird die Finanzbehörde dabei auf Freiheitsstrafen ohne Bewährung drängen, wodurch die Verteidigung zunehmend gefordert ist. Des Weiteren geht es um die Zeugenstellung des Finanzbeamten in der Hauptverhandlung. Ein eigenes Recht auf ein Plädoyer hat die Finanzbehörde hingegen nicht. Im gerichtlichen Bußgeldverfahren sind durch Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.7.2019 u.a. auch die Beteiligungsrechte der Behörden der Zollverwaltung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) erweitert; insbesondere steht ihrem Vertreter ein Äußerungs- und Fragerecht zu, wenn die Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung nicht teilnimmt (§ 12 Abs. 5 Sc...