Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen. Anforderungen an die Insolvenzverwaltung
Normenkette
InsO §§ 6, 22 Abs. 3, § 21 Abs. 1 S. 2; ZPO § 569 Abs. 1
Tatbestand
I.
Mit Schreiben v. 13.2.2004 hat die Gläubigerin beantragt, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, eines Zahnarztes, zu eröffnen. ZurBegründung hat sie ausgeführt, der Schuldner schulde ihr die Zahlung von 6.220,10 EUR an Sozialversicherungsbeiträgen fürdie Monate 11/2002 – 1/2004 einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrensund des Insolvenzantrags, insgesamt 6.814,10 EUR. …
ImFolgenden hat die mit der Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnissedes Schuldners beauftragte Sachverständige die Anordnung dervorläufigen Insolvenzverwaltung über Vermögen des Schuldners angeregt, um den Praxisbetrieb aufrechterhalten zu können unddie Insolvenzmasse vor nachteiligen Veränderungen zuschützen.
Mit Beschl. v. 29.4.2004, dem Schuldnerzugestellt am 5.5.2004, hat das AG Charlottenburg die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen des Schuldners angeordnetund gem. § 22 Abs. 3 InsO ausgeführt, dass der Schuldner dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und ihm alleerforderlichen Auskünfte zu erteilen habe. … Gegen den Beschluss hatder Schuldner mit Schreiben v. 6.5.2004, eingegangen bei Gericht am selben Tag,sofortige Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung hat erausgeführt, er würde sich bei der Gestattung der Einsichtnahmedurch den vorläufigen Insolvenzverwalter in seine Bücher und Geschäftspapiere wegen der Verletzung seiner Schweigepflicht strafbarmachen.
In ihrer Stellungnahme auf das Beschwerdeschreiben des Schuldners hat die vorläufige Insolvenzverwalterin mitgeteilt, dass die Rechte des zur Verschwiegenheit verpflichteten Schuldners und die der Patientendurch hinreichend geschützt seien, dass der Insolvenzverwalter nursolche Kenntnisse verwerten dürfe, die zur Erfüllung der ihmgesetzlich übertragenen Aufgaben erforderlich seien. Über den Inhalt der Behandlung und deren Ergebnis bedürfe es insoweit keiner Auskunft.
Das AG hat nichtabgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschl.v. 29.4.2004 ist gem. §§ 6, 21 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 569 Abs. 1 ZPO zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt.
Die Beschwerde ist jedochunbegründet.
Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO istnicht zu beanstanden.
Die allgemeinen Voraussetzungenfür die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung liegen vor,da ein zulässiger Eröffnungsantrag anhängig ist (vgl.HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 21 Rn. 3). Die förmliche Zulassung des Antrages ist für vorläufige Maßnahmen nach§ 21 InsO nicht erforderlich (HK-InsO/Kirchhof, a.a.O., Rn. 4;MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 16 – 18 und 23 m.w.N.; a.A. Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 21 Rn. 18 m.N.). Hier liegt ein zulässiger Eröffnungsantragvor. Insbesondere sind sowohl die Insolvenzforderung als auch der Insolvenzgrund glaubhaft gemacht. Der Antrag der Gläubigerin v.13.2.2004 ist zulässig, weil sie ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und ihre Forderung und den Insolvenzgrund glaubhaft gemacht hat, § 14 Abs. 1 InsO. Das Bestehen einer Forderung der Gläubigerin ist überwiegendwahrscheinlich. Sozialversicherungsträger können ihre Forderungengrds. durch die Stellung des Insolvenzantrages selbst glaubhaft machen (vgl. OLG Köln, NZI 2000, 78, 79; OLG Dresden, ZInsO 2000, 560, 561; Beschl. der Kammer v. 20.2.2004 – 86 R 218/04; HK-InsO/Kirchhof, a.a.O.,§ 14 Rn. 7; FK-InsO/Schmerbach, 3. Aufl., § 14 Rn. 55;a.A. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 14 Rn. 47 m.w.N.). I.Ü. hat der Schuldner das Bestehen der Forderung auchnicht bestritten.
Der Eröffnungsgrund i.S.d.§ 16 InsO ist ebenfalls glaubhaft gemacht. Es ist vorliegendglaubhaft, dass der Schuldner i.S.v. § 17 InsO nicht mehr inder Lage ist, sämtliche fälligen Zahlungsverpflichtungen zuerfüllen. Dazu genügt vorliegend die gem. § 266a StGBstrafbare Nichtbezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen übereinen längeren Zeitraum (vgl. HK-InsO/Kirchhof, a.a.O., § 17 Rn. 35; st. Rspr. d. Kammer z.B. Beschl. v. 7.11.2000 – 86 T 771/00). Obbei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen Maßnahmen nach§ 21 InsO anzuordnen sind, muss das Insolvenzgericht nachpflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahmeentscheiden (Beschl. der Kammer v. 3.7.2002 – 86 T 430/02, S. 6;HK-InsO/Kirchhof, a.a.O., Rn. 9). Soweit ein Ermessen mit der Begründungverneint wird, bei Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungenfür die Anordnung von sichernden Maßnahmen müssten dieseangeordnet werden (MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 2),ist dem entgegenzuhalten, dass eine Anordnungspflicht in Fällen der Ermessensreduzierung auf Null mit der grds. Anname eines Ermessens durchaus zuverei...