Entscheidungsstichwort (Thema)
Offenlegung. Insolvenz. Verschulden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Insolvenzgesellschaft ist nach § 155 Abs. 1 InsO weiterhin zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet, sodass ihre weiterhin im Amt befindlichen gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss für diese nach § 325 HGB offenzulegen haben.
2. Die Insolvenzgesellschaft kann aufgrund des Insolvenzbeschlags durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach §§ 35, 80 InsO auf Rücklagen zur Aufbringung der Rechnungs- und Offenlegungskosten aus Rechtsgründen nicht mehr zugreifen, sodass sie an der Unterlassung der Offenlegung nach § 325 HGB kein Verschulden trifft.
3. Die noch im Amt befindlichen Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Insolvenzgesellschaft sind nicht verpflichtet, die Erfüllung der Offenlegungspflicht nach § 325 HGB aus ihrem Privatvermögen zu finanzieren.
4. Die Tatbestandswirkung der Androhungsverfügung, gegen die ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig eingelegt worden ist, erstreckt sich nicht auf das Verschulden hinsichtlich der Unterlassung der Offenlegung nach § 325 HGB.
Normenkette
HGB §§ 325, 335; InsO §§ 35, 80, 155; FGG § 139; FamFG § 391
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird die unter dem 31.10.2008 getroffene Ordnungsgeldentscheidung einschließlich der Festsetzung von Zustellungskosten aufgehoben.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500,00 Euro wegen unterlassener Einreichung der Jahresabschlussunterlagen 2006 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 22.04.2008, zugestellt am 25.04.2008, angedroht. Dagegen hat die Beschwerdeführerin keinen Einspruch eingelegt. Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 31.10.2008 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt. Gegen die ihr am 07.11.2008 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 11.11.2008 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen durch Beschluss vom 13.01.2006 sowie auf fehlende Geschäftstätigkeit verwiesen. Das Bundesamt für Justiz hat die sofortige Beschwerde am 09.03.2009 an das Landgericht Bonn abgegeben.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Die angefochtene Ordnungsgeldentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Rechten. Die Beschwerdeführerin hat ihre Pflicht zur Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen 2006 nicht schuldhaft verletzt.
Allerdings hat die Beschwerdeführerin gegen ihre nach § 325 HGB bestehende Offenlegungspflicht objektiv verstoßen. Sie hat ihre Jahresabschlussunterlagen 2006 weder innerhalb der am 31.12.2007 ablaufenden Jahresfrist noch innerhalb der am 06.06.2008 ablaufenden sechswöchigen Nachfrist beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Der Offenlegungspflicht stand nicht entgegen, dass über das Vermögen der Beschwerdeführerin durch Beschluss vom 13.01.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die Insolvenzgesellschaft ist nach § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO weiterhin zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet, sodass ihre weiterhin im Amt befindlichen gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss für diese nach § 325 Abs. 1 und 2 HGB offenzulegen haben (LG Bonn, Beschluss vom 30.06.2008, 11 T 48/07, nrwe.de; LG Bonn, Beschluss vom 13.11.2008, 30 T 275/08, nrwe.de). Das Ruhen des Geschäftsbetriebs steht der Offenlegungspflicht ebenfalls nicht entgegen, da sogar Liquidationsgesellschaften wegen § 71 GmbHG, § 325 HGB offenlegungspflichtig sind (LG Bonn, Beschluss vom 30.06.2008, 11 T 48/07, nrwe.de; LG Bonn, Beschluss vom 10.12.2008, 37 T 472/08, nrwe.de).
Jedoch trifft die Beschwerdeführerin an der Offenlegungssäumnis kein Verschulden. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 3 Satz 4 HGB setzt Verschulden voraus, weil sie das Unterlassen der rechtzeitigen Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen nachträglich sanktioniert (LG Bonn, Beschluss vom 30.06.2008, 11 T 48/07, nrwe.de; BVerfG, Beschluss vom 11.03.2009, 1 BvR 3413/08, bverfg.de/entscheidungen.html). Die Beschwerdeführerin hat ihre Jahresabschlussunterlagen 2006 schuldlos nicht erstellt und offengelegt, weil sie die damit verbundenen Kosten schuldlos nicht aufbringen konnte, jedenfalls nicht die Gebühren der elektronischen oder sonstigen Einreichung beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.
Allerdings muss sich eine Kapitalgesellschaft als ordentlicher Kaufmann grundsätzlich auf die Erfüllung der Offenlegungspflicht einstellen, indem sie die Mittel zur Finanzierung der Rechnungs- und Offenlegung rechtzeitig zurücklegt (LG Bonn, Beschluss vom 30.06.2008, 11 T 48/07, nrwe.de; LG Bonn, Beschluss vom 02.12.2008, 37 T 627/08, nrwe.de).
Jedoch ist dies im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens...