Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Insolvenzverwalters auf den pfändbaren Betrag eines fiktiven Einkommens eines Insolvenzschuldners für die Insolvenzmasse
Normenkette
InsO § 35 Abs. 2 S. 2, § 80; InsO analog § 295 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger verlangt den pfändbaren Betrag eines fiktiven Einkommens des Beklagten für die Insolvenzmasse.
Über das Vermögen des Beklagten wurde mit Beschluss des AG Mönchengladbach v. 7.11.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschl. v. 24.3.2010 wurde der Kläger zum Insolvenzverwalter bestimmt.
Der Beklagte ist Kfz-Meister. Er betreibt unter der Firma Oldtimer Basis eine Kfz-Werkstatt. Unter dem 17.11.2008 gab der vorherige Insolvenzverwalter den Gewerbebetrieb des Beklagten gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei. Bis einschließlich März 2009 zahlte der Beklagte an die Insolvenzmasse monatlich einen Betrag i.H.v. 300 EUR. Anschließend leistete er nicht mehr.
Der Kläger trägt vor:
Er könne einen Zahlungsanspruch aus § 295 Abs. 2 InsO analog geltend machen. Danach könne er monatlich den pfändbaren Betrag von dem Beklagten zur Masse verlangen. Nach dem Tarifvertrag für das Kfz-Gewerbe habe ein Kfz-Meister in der Zeit v. Dezember 2009 – Juni 2010 brutto 3.244 EUR verdient und v. Juli 2010 – November 2010 monatlich 3.470 EUR. Davon könne er den über den Pfändungsfreibetrag hinausgehenden Betrag geltend machen.
Er bestreitet mit Nichtwissen die Richtigkeit der vorgelegten Einnahmen-Überschussrechnung für das Jahr 2010, insbesondere den Einnahmenüberschuss von 8.335,03 EUR. Es komme letztlich aber auch nicht auf die tatsächlich erzielten Überschüsse, sondern auf das fiktive Einkommen des Beklagten an. Er bestreitet zudem mit Nichtwissen, dass der Beklagte aufgrund fehlender Kenntnis der aktuellen Kfz-Systeme allenfalls eine Beschäftigung in einer Oldtimer-Werkstatt finden könnte.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 17.095 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.5.2011 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Ein Zahlungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Insbesondere ergebe sich aus § 295 Abs. 2 InsO kein einklagbarer Anspruch oder eine in das Vermögen des Schuldners vollstreckbare Leistungspflicht. Nach dem Wortlaut des § 295 Abs. 2 InsO handele es sich lediglich um eine Obliegenheit des Schuldners. Wenn er dieser Obliegenheit nicht nachkomme, könne er lediglich die Restschuldbefreiung nicht erlangen.
Jedenfalls sei der Beklagte am 13.4.2011 in einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger erstmalig mit der Ausgleichszahlung konfrontiert worden. Er sei von dieser Forderung völlig überrascht gewesen. Insbesondere aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation, die sich auch aus der Einnahmen-Überschussrechnung von 2010 ergebe, wonach er lediglich einen Jahresüberschuss i.H.v. 8.335,03 EUR erwirtschaftet habe, sei er nicht in der Lage, den geforderten Betrag vollständig oder auch nur in Raten aufzubringen. Der von dem Kläger berechnete monatlich pfändbare Betrag sei auch deutlich zu hoch angesetzt. Es könne nicht der tarifvertragliche Lohn eines Kfz-Meisters mit Leitungsfunktion zugrunde gelegt werden. Seit seinem Abschluss zum Servicetechniker im Jahr 2003 habe er ausschließlich in einer Oldtimer-Werkstatt gearbeitet. Mit den aktuellen Kfz-Systemen sei er nicht vertraut. Daher sei es ihm gar nicht möglich in einem Anstellungsverhältnis die Vergütung eines Kfz-Meisters mit Leitungsfunktion zu erhalten. Allenfalls könne hier die Vergütung eines einfachen Kfz-Mechanikers im Anstellungsverhältnis zugrunde gelegt werden.
Bzgl. des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.
Der Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO analog, weil sich aus diesen Vorschriften keine Zahlungsverpflichtung ableiten lässt. Gem. § 35 Abs. 2 InsO hat der Insolvenzverwalter dem Schuldner gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus, gilt § 295 Abs. 2 InsO entsprechend. Nach § 295 Abs. 2 InsO obliegt es dem Schuldner, soweit er eine selbstständige Tätigkeit ausübt, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.
Die Auslegung dieser Vorschriften ergibt keine Zahlungsverpflichtung. Nach dem eindeutigen Wortlaut handelt es sich bei der Vorschrift des § 295 InsO um die Formulierung einer Obliegenheit des Insolvenzschuldners. Sie steht im Regelungszusammenhang mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung des Insolvenzschuldners. Die Rechtsfolge der Obliegenheitsverletzung ist in der Vorschrift des § 296 InsO geregelt. Danach ...