Verfahrensgang
AG Duisburg (Entscheidung vom 06.11.2012; Aktenzeichen 62 IN 178/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 06.11.2012, 14:00 Uhr (62 IN 178/12), teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der einstweiligen Anordnung zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse (§ 21 Abs. 1 S. 1 InsO) wird bestimmt:
Der Schuldnerin wird ermächtigt, für folgende Bereiche Verbindlichkeiten mit dem Rang des § 55 Abs. 2 InsO zu begründen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten:
-
Lieferungen (Umfang/Monat: 50.000,00 €) und Leistungen (Dienstleistungen/Versorgungsleistungen/sonstige) (Umfang/Monat: 100.000,00 €), wie in Anlage 3 zu dem Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 06.11.2012, 14:00 Uhr (Seiten 1 bis 7, "Einzelermächtigungen - Konkretisierung der einzugehenden Verpflichtungen mit Ermächtigung des Gerichts") konkretisiert,
-
Sicherung der Insolvenzgeldvorfinanzierung mit der HSBC Trinkaus & Burkhardt AG in Bezug auf Zinsen und Gebühren in Höhe von ca. 20.000,00 €.
Gründe
Die gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, 21 Abs. 1 S. 2 InsO statthafte - und auch im Übrigen zulässige - sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat Erfolg.
1.
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass ein Erfordernis zur Begründung einzelner, im Voraus festgelegter Verbindlichkeiten zu Lasten der späteren Insolvenzmasse auch dann anzuerkennen ist, wenn in einem Eröffnungsverfahren gemäß § 270a Abs. 1 InsO anstelle eines vorläufigen Insolvenzverwalters ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird. Den diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts schließt die Kammer sich - in Abgrenzung zu der Entscheidung des AG Fulda vom 28.03.2012 - 91 IN 9/12 (ZIP 2012, 1471) - vollumfänglich an. Nach Auffassung der Kammer ist die Ermächtigung in diesem Fall jedoch nicht - wie das Amtsgericht meint - dem vorläufigen Sachwalter, sondern dem Schuldner selbst zu erteilen (ebenso AG Köln, Beschluss vom 26.03.2012 - 73 IN 125/12, ZIP 2012, 788; AG München, Beschluss vom 27.06.2012 - 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470; Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl. 2012, § 270a Rn. 15 f.; Hofmann, EWiR 2012, 359; Vallender, GmbHR 2011, 445, 447 f.). Diese Lösung entspricht sowohl der gesetzlichen Systematik als auch dem Sinn und Zweck der durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) reformierten Vorschriften über die Eigenverwaltung.
a)
Gemäß § 270a Abs. 1 S. 2 InsO wird, falls das Gericht gemäß § 270a Abs. 1 S. 1 InsO von der Auferlegung eines altgemeinen Verfügungsverbots und der Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts - mithin von der Bestellung eines "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters - absieht, anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind. Gerade der letzte Halbsatz stellt klar, dass dem vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren keine weitergehenden Befugnisse zugebilligt werden als dem Sachwalter im eröffneten Verfahren bei angeordneter Eigenverwaltung, dessen Funktion sich gemäß §§ 274, 275 InsO auf die Überwachung des Schuldners, die Mitwirkung an Rechtshandlungen und auf Mitteilungspflichten beschränkt (vgl. AG Köln, a. a. O.; AG München, a. a. O.; Hofmann, a. a. O.). Von einem Gleichlauf der Befugnisse des vorläufigen Sachwalters und des Sachwalters im eröffneten Verfahren ist ausweislich der Gesetzesmaterialien auch der Gesetzgeber ausgegangen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/5712, S. 39; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drs. 17/7511, S. 37). Folgerichtig kann der vorläufige Sachwalter auch nicht Adressat einer Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten sein.
Vielmehr findet eine "vorläufige Eigenverwaltung'' durch den Schuldner statt, dessen privatautonome Verwaltungs- und Verfügungsmacht über sein Vermögen gegebenenfalls durch Einzelermächtigungen des Insolvenzgerichts gemäß §§ 270 Abs. 1 S. 2, 21 Abs. 1 S. 1 InsO erweitert und insoweit der Rechtsstellung eines "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters angenähert wird (vgl. Graf-Schlicker, a. a. O., § 270a Rn. 15). Die Formulierung in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO, dass "anstelle" des vorläufigen Insolvenzverwalters der vorläufige Sachwalter bestellt wird, steht diesem Verständnis nicht entgegen. Sie besagt lediglich, dass kein vorläufiger Insolvenzverwalter, sondern ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird. Dass der vorläufige Sachwalter in diesem Fall die Aufgaben und Befugnisse eines vorläufigen Insolvenzverwalters haben soll (so wohl AG Hamburg, Beschluss vom 04.04.2012 - 67g IN 74/12, ZIP 2012, 787), kann der Vorschrift nicht entnommen werden (vgl. AG München, a. a. O.).
b)
Die Vorschrift des § 270b Abs. 3 InsO, wonach (nur) im sog. "Schutzschirmverfahren", dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben sind, das Gericht auf Antrag des Schuldners anzuordnen hat, dass der Schuldner (generel...