Verfahrensgang

AG Gera (Entscheidung vom 21.02.2002; Aktenzeichen 8 IN 84/02)

 

Tenor

1. Die Vorlageverfügung des Amtsgerichts Gera vom 21.2.2002 (Az.: 8 IN 84/02) wird mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur weiteren Entscheidung an das Amtsgericht zurückgegeben.

2. Das Verfahren ist kostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Die Schuldnerin stellte am 31.1.2002 durch ihren Geschäftsführer … den Antrag, über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Das Amtsgericht ordnete mit Beschluß vom 6.2.2002 unter anderem die vorläufige Insolvenzverwaltung sowie ein allgemeines Verfügungsverbot mit der Maßgabe an, daß die Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Unternehmen auf die vorläufige Insolvenzverwalterin gem. § 22 I 1 InsO übergeht.

Der mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin möglicherweise verwandte … teilte dem Amtsgericht in einem Schreiben vom 15.2.2002 mit, daß die vorläufige Insolvenzverwalterin die Immobilie der Schuldnerin am 13.2.2002 „beschlagnahmt” habe und ihn wegen der Gefahr des Beiseiteschaffens von Vermögensgegenständen am 13.2.2002 gegen 18.00 Uhr aufgefordert habe, die von ihm bewohnte Hausmeisterwohnung zu verlassen. Er habe, weil ihm finanzielle Mittel gefehlt hätten, nach dem Verlassen der Wohnung nicht in einem nahegelegenen Hotel übernachten können, sondern sei gezwungen gewesen, trotz Nachtblindheit die Heimreise nach Augsburg anzutreten. Er erhebe deshalb gegen die ergriffene Maßnahme „Beschwerde”.

Die vorläufige Insolvenzverwalterin teilte unter dem 20.2.2002 mit, daß in dem schuldnerischen Betrieb in einem patentierten Verfahren die Beschickung von Teppichböden betrieben werde. Es handle sich um einen Bereich mit besonderen Sicherungsmaßnahmen einschließlich der elektronischen Überwachung, die eine besondere Absicherung der Räumlichkeiten erforderlich mache. Mit Patentrechten des Geschäftsführers der Schuldnerin seien Interessenkollisionen zu befürchten, so daß vorläufig der Zutritt zu den Geschäftsräumen niemandem gestattet werden könne. Da man nicht ausschließen könne, daß die Geschäftsräume über die Hausmeisterwohnung betreten werden könnten, habe sie auf dem Verlassen der Wohnung bestehen müssen.

Das Amtsgericht half der eingelegten „Beschwerde” ohne weitere Begründung nicht ab und legte die Sache dem Landgericht vor.

 

Entscheidungsgründe

II.

Ein Rechtsmittel liegt in dem vorliegenden Fall nicht vor.

Ein solches kann überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn es sich um eine gerichtliche und damit beschwerdefähige Entscheidung handelt. Das ist nur dann der Fall, wenn eine zumindest vorläufige hoheitliche Regelung eines Einzelfalls vorliegt, die über eine rein verfahrensleitende Anordnung hinausgeht. Naturgemäß können hoheitliche Regelungen nur durch das Insolvenzgericht getroffen werden, weil nur insoweit ein Subordinationsverhältnis zu dem den gerichtlichen Maßnahmen unterworfenen Bürger entstehen kann.

Die – auch vorläufige – Insolvenzverwalterin steht, auch wenn ihre nach der Rechtsprechung bestehende Parteistellung kraft Amtes gewisse Elemente eines Beliehenen in sich tragen mag, nicht in einem Überordnungsverhältnis zu den Verfahrensbeteiligten und Dritten. Sie ist vielmehr, wie sich aus § 60 I 1 InsO ergibt, selbst lediglich Beteiligte des Insolvenzverfahrens und kann hoheitliche Anordnungen weder gegen den Schuldner noch gegen Dritte treffen. Sämtliche von ihr angeordneten „Maßnahmen” finden deshalb, gegen wen auch immer sie sich richten mögen, ausschließlich auf der Ebene der Gleichordnung der Rechtssubjekte und damit auf dem Gebiet des Privatrechts statt. Gegen die „Anordnungen” der vorläufigen Insolvenzverwalterin ist deshalb ein Rechtsmittel nach § 6 InsO von vornherein nicht statthaft (Kübler/Prütting/Prütting, InsO, Stand: 11/01, § 6 Rz. 10).

Die Tatsache, daß das Schreiben als „Beschwerde” bezeichnet ist, ist unerheblich. Denn das Amtsgericht hatte auch bei der Einlegung von Rechtsmitteln entsprechend §§ 133, 157 BGB und gem. § 5 InsO im Wege der Auslegung zu ermitteln, gegen welche Maßnahme sich das Schreiben richtet. Dabei ist der wahre Sinn des Begehrens zu ermitteln und nicht am buchstäblichen Ausdruck des Wortes zu haften.

Bei näherer Prüfung hätte die „Beschwerde” nicht als Rechtsmittel gewertet werden dürfen. Vielmehr wäre – sofern … überhaupt als Beteiligter angesehen werden könnte – zu erwägen gewesen, ob das Schreiben als aufsichtliche Maßnahme entsprechend § 58 I 1 InsO oder als Antrag auf Entlassung entsprechend § 59 I 1 InsO zu werten ist.

Mangels eines vorlagefähigen Rechtsmittels erweist sich somit das Vorlageverfahren als rechtlich nicht zutreffend. Aus Gründen der Klarheit war die Akte sonach dem Insolvenzgericht nicht formlos zurückzuleiten, sondern die Vorlageverfügung mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufzuheben und die Sache dem Amtsgericht zur weiteren Behandlung zurückzugeben (ebenso LG Göttingen, Beschluß vom 20.8.1999, 10 T 44/98).

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet...

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