Verfahrensgang
AG Göttingen (Beschluss vom 12.10.2005; Aktenzeichen 74 IN 270/04) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Anordnung des Amtsgerichts, die Wohnung der … zwecks Vollziehung des Haftbefehls an dem Schuldner zu betreten und zu durchsuchen rechtswidrig war.
Tatbestand
Am 19.07.2004 hat die Gläubigerin beantragt, über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Nachdem der Schuldner zu einem vom Gericht anberaumten Anhörungstermin nicht erschienen ist, hat das Amtsgericht einen Haftbefehl gegen den Schuldner erlassen. Der mit der Vollstreckung des Haftbefehls beauftragte Gerichtsvollzieher hat dem Gericht mitgeteilt, dass der Schuldner trotz vielfacher Versuche unter der Anschrift … nicht angetroffen worden sei. Die in der Wohnung lebende Beschwerdeführerin hat dem Gericht im Mai 2005 mitgeteilt, dass der Schuldner nach Frankreich verzogen sei und unter der oben genannten Anschrift wohne.
In einem Schreiben vom 05.09.2005 hat der vorläufige Insolvenzverwalter dem Amtsgericht mitgeteilt, dass zu erwarten sei, dass der Schuldner an seinem Geburtstag, dem 13. Oktober, seine Verlobte in deren Wohnung aufsuchen wird. Der vorläufige Insolvenzverwalter hat deshalb angeregt, an diesem Tag einen weiteren Verhaftungsversuch des Schuldners in der Wohnung seiner Verlobten vorzunehmen.
Mit Beschluss vom 12.10.2005 hat das Amtsgericht den zuständigen Gerichtsvollzieher ermächtigt, die Wohnung der … zwecks Vollziehung des Haftbefehls an dem Schuldner zu betreten und zu durchsuchen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Schuldner habe sich zwar zwischenzeitlich nach Frankreich umgemeldet, es sei jedoch davon auszugehen, dass er sich zumindest zeitweise in der Wohnung der Beschwerdeführerin aufhalte.
Am 13.10.2005 hat der zuständige Gerichtsvollzieher in Begleitung von zwei Polizeibeamten die Wohnung der Beschwerdeführerin betreten und alle Räume durchsucht. Der Schuldner wurde dort nicht vorgefunden.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss mit der sofortigen Beschwerde. Sie trägt vor, zum einen sei die Art und Weise, wie ihre Wohnung betreten und durchsucht worden sei, in jeder Hinsicht unakzeptabel und unangemessen gewesen. Da sie sich auf der Dachterrasse aufgehalten habe, habe sie das Klingeln an der Haustür nicht gehört. Der Gerichtsvollzieher und die Polizeibeamten hätten sich deshalb über ihre Terrasse Zugang zur Wohnung verschafft, und zwar in lautstarker Weise, so dass die gesamte Umgebung und Nachbarschaft hierdurch aufgeschreckt worden sei. Darüber hinaus sei die Durchsuchung der Wohnung unrechtmäßig gewesen. Die Wohnung stehe in ihrem alleinigen Eigentum. Der Schuldner sei dort nicht mehr wohnhaft und auch nicht mehr behördlich gemeldet. Dies sei dem Gericht bekannt, ebenso wie die aktuelle Anschrift des Schuldners in Frankreich. Die Beschwerdeführerin sei somit in jeder Hinsicht unbeteiligte Dritte. Sie müsse einen derartigen Eingriff nicht dulden.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, es sei anerkannt, dass im Insolvenzverfahren auch Zwangsmaßnahmen gegen Dritte in Betracht kämen.
Entscheidungsgründe
Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig. Zwar sieht die Insolvenzordnung für den hier vorliegenden Fall, dass ein Dritter durch Zwangsmaßnahmen beeinträchtigt wird, Rechtsmittel nicht vor. Grundsätzlich ist deshalb die Entscheidung nicht beschwerdefähig, § 6 Abs. 1 InsO. Diese Regel bedarf jedoch der Einschränkung, soweit die Anordnung des Insolvenzgerichts in das Grundrecht der Betroffenen auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG) eingegriffen hat. In diesen Fällen erfordert das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Abs. 4 GG) die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung des Eingriffs (vergleiche BGH NZI 2004, 312 = ZlnsO 2004, 550). Da die Insolvenzordnung dem Insolvenzrichter nicht die Möglichkeit eröffnet, einen Gerichtsvollzieher zu ermächtigen, die Wohnräume eines Dritten gegen dessen Willen zu betreten, um den Schuldner zu verhaften, handelt es sich bei dieser richterlichen Anordnung um eine objektiv willkürliche Maßnahme, für die es an jeder rechtlichen Grundlage fehlt. § 6 Abs. 1 InsO schließt es in einem solchen Fall nicht aus, dass dem von einer solchen generell unzulässigen Maßnahme Betroffenen ein Rechtsmittel zusteht (BGH NZI 2004, 312 = ZlnsO 2004, 550).
Das Amtsgericht durfte die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführerin zwecks Verhaftung des Schuldners hier nicht anordnen. Diese Maßnahme ist durch das Gesetz nicht gedeckt.
Gemäß § 21 Abs. 3 InsO kann das Gericht den Schuldner in Haft nehmen, wenn er die ihm obliegenden Mitwirkungs- oder Auskunftspflichten nicht erfüllt und andere Maßnahmen nicht ausreichen. Für die Anordnung der Haft verweist § 98 Abs. 3 InsO auf die §§ 904 – 910, 913 ZPO. Nach § 909 Abs. 1 ZPO erfolgt die Verhaftung des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher. Dieser wiederum ist an die Regelung in § 187 GVGA gebunden. Danach darf der Gerichtsvol...