Verfahrensgang

AG Montabaur (Aktenzeichen 14 IK 91/08)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Antragsteller die Kosten des Eröffnungsverfahrens gestundet.

2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Antragsteller hat durch seine Verfahrensbevollmächtigte unter dem … die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens unter Vorlage der Anlagen gestellt und zugleich die Bewilligung der Restschuldbefreiung beantragt.

Zugleich hat er unter dem gleichen Datum die Kostenstundung nach §§ 4 a ff. InsO beantragt. Dem Antrag wurde die Erklärung nach § 4a Abs. 1 S. 3 InsO beigefügt.

Der Schuldner verbüßt derzeit aufgrund Urteils des Landgerichts … eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Durch Beschluss vom …, auf dessen Gründe zum Zwecke der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat die Insolvenzrichterin des Insolvenzgerichts beim Amtsgericht Montabaur den Antrag auf Kostenstundung zurückgewiesen.

Zur Begründung hat die Insolvenzrichterin im Wesentlichen angeführt, dass der Schuldner seiner Obliegenheit in Form einer angemessen entlohnten Erwerbstätigkeit nicht nachgehe und in absehbarer Zeit aufgrund seiner – selbst verschuldeten – Inhaftierung nicht nachgehen könne. Die Verletzung der Erwerbsobliegenheit nach § 295 Abs. 1 Ziffer 1 InsO stelle einen Versagungsgrund im Sinne des § 296 InsO dar. Dem Schuldner könne daher erst nach Beendigung der Strafhaft oder als Freigänger seine Entschuldung betreiben.

Gegen diesen Beschluss, der seiner Verfahrensbevollmächtigten am … zugestellt wurde, wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde vom …, die am gleichen Tag per Telefax beim Amtsgericht Montabaur eingegangen ist.

Der Insolvenzrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Das zulässige Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als begründet.

Entgegen der Auffassung des Insolvenzrichters ist Kostenstundung zu bewilligen, da die Voraussetzungen nach § 4a InsO vorliegen und ein Ausschlussgrund nicht gegeben ist.

Insbesondere kann die – eventuelle – Nichtausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit oder das fehlende bzw. nicht nachgewiesene Bemühen um eine angemessene Beschäftigung i.S.d. § 4c Nr. 4 InsO nicht zu einer Versagung der noch nicht gewährten Stundung führen.

§ 4c Nr. 4 InsO eröffnet schon nach seinem eindeutigen Wortlaut insoweit nur die Möglichkeit einer Aufhebung, nicht aber einer Versagung der Stundung. Eine Aufhebung setzt aber zwingend voraus, dass eine Stundung zunächst gewährt worden ist. Die Obliegenheit des § 4c Nr. 4 InsO kann den Schuldner damit frühestens ab Stundung der Kosten treffen (vgl. Eberhard Braun, Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2007, § 4c Rdnr. 8).

Für eine erweiternde, nicht wie das Amtsgericht – wohl stillschweigend – meint „einschränkende” Auslegung oder analoge Anwendung des die Aufhebung der Stundung regelnden § 4c Nr. 4 InsO auf Fälle der Gewährung der Stundung, fehlen die Voraussetzungen. Es besteht keine durch erweiternde Auslegung oder Analogie zu schließende unbeabsichtigte Regelungslücke.

Nach der amtlichen Begründung (RegE InsOÄndG) hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 4c Nr. 4 InsO zwar eine Ausdehnung der in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO statuierten Erwerbsobliegenheit sowie der in § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO statuierten Pflicht des Schuldners, Auskunft über die Erfüllung seiner Obliegenheit zu erteilen auf das Insolvenzverfahren beabsichtigt. Wie aus der amtlichen Begründung weiterhin hervorgeht, soll die Ausdehnung dieser Vorschriften aber „im Rahmen der Stundung” erfolgen und dem Gericht damit nur die Möglichkeit eröffnet werden, bei unzureichender Mitwirkung des Schuldners die Stundung aufzuheben (RegE InsOÄndG, Seite 29). Davon, die Stundung nur dann zu gewähren, wenn der Schuldner bereits im Vorfeld der in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO normierten Obliegenheit nachgekommen ist, hat der Gesetzgeber aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und Beschleunigung bei der Gewährung der Stundung gerade abgesehen.

Dem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass gemäß § 4a Abs. 3 InsO die Stundung für jeden Verfahrensabschnitt gesondert zu erfolgen hat. Denn die Möglichkeit der Erfüllung der Obliegenheit muss dem Schuldner in jedem Verfahrensabschnitt wieder offenstehen. Ob und inwieweit vorherige Verstöße gegen die Erwerbsobliegenheit bei der Gewährung der Stundung der Kosten für den nächsten Verfahrensabschnitt zu berücksichtigen sind, kann hier offenbleiben. Jedenfalls kann die erstmalige Gewährung der Stundung nicht wegen des eventuellen vorherigen mangelnden Bemühens oder unzureichender Auskunft über Bemühungen um eine angemessene Beschäftigung versagt werden.

Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass auch ein Strafgefangener Restschuldbefreiung erlangen kann. Der entgegenstehenden Auffassung des Landgerichts Hannover vom 12. Februar 2002 – 20 T 2225/01 – (veröffentlicht in: ZInsO 2002, 449) schließt sich die Kammer nicht an. De...

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