Entscheidungsstichwort (Thema)
Herbeiführung der Einberufung einer Gläubigerversammlung zum Zwecke der Wahl eines neuen Sachwalters durch den Gläubigerausschuss
Normenkette
InsO § 56a Abs. 3, § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 1 Nr. 2, § 274 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Gläubigerausschuss will die Einberufung einer Gläubigerversammlung zum Zwecke der Wahl eines neuen Sachwalters erreichen.
Das AG Stendal eröffnete am 31.8.2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und ordnete zugleich eine Eigenverwaltung an. Als Sachwalter bestellte es – entgegen dem Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses – den Beteiligten zu 1. Zugleich bestimmte es die Mitglieder des Gläubigerausschusses, die durch weiteren Beschl. v. 5.9.2012 auf insgesamt neun Mitglieder ergänzt wurden. Schließlich setzte es den Berichts- und Prüfungstermin auf den 26.11.2012 fest; ein weiterer TOP dieser Gläubigerversammlung sollte die Wahl eines anderen Sachwalters sein.
Am 18.9.2012 beantragte der Gläubigerausschuss die Einberufung einer Gläubigerversammlung mit dem TOP „Wahl eines Sachwalters”. Ursprünglich ging es ihm darum, den vorläufigen Sachwalter A zum neuen Sachwalter zu wählen, an dessen Person die Gewährung eines Massekredits geknüpft war. Das AG Stendal wies den Antrag mit dem angefochtenen Beschl. v. 1.10.2012 zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass trotz Hinweises kein formeller Nachweis über eine wirksame Beschlussfassung vorgelegt worden sei und dass dem Gläubigerausschuss zudem ein Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil die Wahl eines anderen Sachwalters bereits auf der Tagesordnung der ersten Gläubigerversammlung am 26.11.2012 stehe. Hiergegen richtet sich die am 12.10.2012 eingegangene sofortige Beschwerde des Gläubigerausschusses.
Entscheidungsgründe
II. Die nach §§ 6 Abs. 1, 75 Abs. 3 InsO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Gläubigerausschuss kann nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Einberufung einer Gläubigerversammlung zum TOP „Wahl eines Sachwalters” verlangen. Ihm steht also – neben dem Insolvenzgericht (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1 InsO) – ein eigenes Initiativrecht zu. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung stehen formelle Mängel nicht mehr entgegen (dazu 1.). Die Einberufung der Gläubigerversammlung kann auch nicht unter Hinweis auf ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis versagt werden (dazu 2.). Schließlich ist ohne Bedeutung, welche Ziele mit der Einberufung der Gläubigerversammlung verfolgt werden (dazu 3.).
1. Der Antrag auf Einberufung der Gläubigerversammlung erfüllt alle formalen Anforderungen. Der Gläubigerausschuss ist antragsberechtigt (dazu a). Ferner enthält der Antrag alle notwendigen Angaben (dazu b).
a) Der Gläubigerausschuss ist nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 InsO berechtigt, die Gläubigerversammlung einberufen zu fassen xxx. Dabei hat das Beschwerdegericht nach § 4 InsO, § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Tatsachen zum Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung zugrunde zu legen. Aufgrund der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Original-Urkunden steht fest, dass dieses Gremium den Beschluss über die Antragstellung wirksam gefasst hat. Denn nach § 72 InsO hat die Mehrheit der Mitglieder an der Beschlussfassung teilgenommen, nämlich sechs von neun. Zudem ist der Beschluss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst worden, weil alle erschienenen sechs Mitglieder den Beschluss unterzeichnet haben. Für das Mitglied Prof. Dr. S hat zwar ein Vertreter signiert, ohne dass eine Vollmacht nachgewiesen ist. Aber selbst wenn ein falsus procurator tätig geworden sein sollte, hätte dieses Mitglied, welches zugleich die Beschwerdeschrift verfasst und darin auf den als Anl. A3 beigefügten Beschluss ausdrücklich Bezug genommen hat, die Tätigkeit seines Vertreters genehmigt.
b) Die in § 75 InsO genannten Initiatoren müssen zudem den Zweck der Gläubigerversammlung angeben. Nur so kann das Gericht im Anschluss die erforderliche Tagesordnung sowie deren Veröffentlichung gem. § 74 Abs. 2 InsO sicherstellen.
Im vorliegenden Fall will der Gläubigerausschuss erreichen, dass die Gläubigerversammlung einen anderen Sachwalter wählt und hat dies in seinem Antrag auch kenntlich gemacht. Darüber hinausgehende Anforderungen, etwa eine Begründung, ist nicht erforderlich (vgl. HambKomm/xxx – InsO, 4. Aufl., § 75 Rn. 4).
2. Dem Antrag des Gläubigerausschusses lässt sich ein Rechtsschutzbedürfnis weder im Hinblick auf den bereits auf den 26.11.2012 angesetzten Berichts- und Prüfungstermin (dazu a) noch auf anderweitige Möglichkeiten nach § 56a Abs. 3 InsO absprechen (dazu b).
a) Das AG führt zutreffend aus, dass die zu den in § 29 Abs. 1 InsO genannten Zwecken bereits einberufene Gläubigersammlung nicht beliebig vorgezogen werden kann. Das Gesetz trägt zwar durch entsprechende Fristen dafür Sorge, dass diese – oftmals erste – Gläubigerversammlung in absehbarer Zeit erfolgt. Der Berichtstermin soll nicht...