Leitsatz
Fehlende Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste und das unveränderte Beibehalten eines verlustbringenden Geschäftskonzepts sind ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.
Normenkette
§ 15 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren (1992 bis 1996) einen Möbeleinzelhandel. Das Geschäftslokal sowie die davon räumlich getrennten Ausstellungs- und Lagerräume hatte sie von ihrem Ehemann angemietet, der zugleich ihr einziger Arbeitnehmer war.
In den Jahren 1983 bis 1998 erwirtschaftete die Klägerin ausnahmslos Verluste. Ende 1998 schloss die Klägerin ihre Ausstellungs- und Lagerräume; die Kunden suchen seither die Möbel nach Prospekten und Katalogen aus. Zum 1.11.1999 kündigte die Klägerin das Anstellungsverhältnis mit ihrem Ehemann.
Das Finanzamt qualifizierte den Möbelhandel der Klägerin in den Streitjahren als Liebhaberei. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (EFG 2002, 452). Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
Das FG habe zwar zu Recht angenommen, dass das Möbelgeschäft der Klägerin bei objektiver Betrachtung nicht zur Erzielung eines Totalgewinns geeignet gewesen sei. Jedoch könne nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin die Verluste aus im Bereich ihrer privaten Lebensführung liegenden Gründen hingenommen habe.
Selbst wenn die Gewinnerzielungsabsicht von Steuerpflichtigen, die eine nicht typischerweise im Hobbybereich angesiedelte gewerbliche Tätigkeit ausübten, nicht allein wegen der Tatsache langjähriger Verluste und fehlender Reaktionen hierauf verneint werden könne, sei das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende nicht marktgerechte Verhalten als gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten. Denn ein solches Verhalten lasse den Schluss darauf zu, dass die Betriebsführung nicht ernstlich darauf gerichtet gewesen sei, erfolgreich am Markt tätig zu sein. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, seien deshalb in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.
Das FG werde im zweiten Rechtsgang vor allem der Frage nachzugehen haben, ob familiäre Gründe die Klägerin zur Fortführung ihres Unternehmens bewogen hätten. Z.B. könnte der Umstand von Bedeutung gewesen sein, dass sie ihren Ehemann, der in den Streitjahren ebenfalls gewerbliche Einkünfte erzielt habe, über seine Arbeitnehmerstellung in ihrem Betrieb einen verhältnismäßig preisgünstigen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung habe ermöglichen wollen und darüber hinaus die Arbeitgeberbeiträge der Klägerin zur Kranken- und Rentenversicherung des Ehemanns als Betriebsausgaben abziehbar gewesen seien. Denkbar sei auch, dass die Klägerin den Betrieb in dem Bestreben fortgeführt habe, das Familienunternehmen aus Gründen der Tradition zu erhalten. Prof. Dr. Franz Dötsch
Hinweis
Im Streitfall ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine nicht in der Nähe des typischen Hobbybereichs angesiedelte Betätigung, aus welcher der Steuerpflichtige langjährige Verluste erlitt, als Liebhaberei qualifiziert werden kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH reicht in solchen Fällen die bloße Tatsache, dass der Steuerpflichtige langjährige Verluste erwirtschaftet und hierauf nicht mit betriebswirtschaftlich sinnvollen Umstrukturierungsmaßnahmen reagiert hat, zur Annahme einer Liebhaberei nicht aus. Vielmehr muss aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 26.2.2004, IV R 43/02, BFH-PR 2004, 260 und vom 21.7.2004, X R 33/03, BFH-PR 2005, 6). Wie das Besprechungsurteil m.E. zutreffend konstatiert, sind an die Feststellung solcher persönlicher Neigungen und Motive aber dann keine besonders hohen Anforderungen zu stellen, wenn der Steuerpflichtige auf die jahrelangen Verluste nicht mit angemessenen Umstrukturierungsmaßnahmen reagiert hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.11.2004, X R 62/01