1.1 Je höher der Anteil des Anlagevermögens, desto höher das Unternehmerrisiko
Je höher der Anteil des Anlagevermögens am Gesamtvermögen (Bilanzsumme) des Unternehmens ist, desto höher ist das Unternehmerrisiko und desto geringer ist die Unternehmensflexibilität.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Unternehmen mindestens das vorhandene Anlagevermögen fortlaufend analysiert. Bei ausreichender Liquiditätslage genügte es, wenn die Analyse im Rahmen des Jahresabschlusses erfolgt. Mit zunehmender Liquiditätsverschlechterung müssen jedoch die Analysezeiträume verkürzt werden. Der wesentliche Maßstab ist dabei das betriebsnotwendige Anlagevermögen.
Zum betriebsnotwendigen Anlagevermögen gehören alle Vermögensgegenstände, die zur Aufrechterhaltung des Betriebszwecks erforderlich sind. Nicht berücksichtigt werden beispielsweise stillgelegte Produktionsanlagen, Finanzanlagen, Beteiligungen u.ä.
Das betriebsnotwendige Anlagevermögen zum Untersuchungszeitpunkt wird i. d. R. niedriger sein als das tatsächlich vorhandene Anlagevermögen. Dies deshalb, weil in den Positionen des Anlagevermögens Werte enthalten sein werden,
- die für zukünftige Entwicklungen des Unternehmens vorgehalten werden (müssen) oder
- aufgrund historischer Unternehmensentscheidungen übernommen wurden.
Einige Beispiele sollen diesen Gesichtspunkt verdeutlichen:
Es ist z. B. denkbar, dass
- unbebaute Grundstücke vorhanden sind, die für eine spätere Unternehmenserweiterung vorgehalten werden.
- Raumreserven in den Betriebs- und Verwaltungsgebäuden bestehen, die derzeit betrieblich nicht genutzt werden.
- auch in den Maschinen und maschinellen Anlagen sowie in den Betriebs- und Geschäftsausstattungen ungenutzte Kapazitäten (Reserven) enthalten sind.
- in den Beteiligungen und Wertpapieren über den betriebsnotwendigen Zweck hinaus erhebliche Finanzmittel gebunden sind.
Zwar wird jedes Unternehmen die Liquidation (Veräußerung) von Teilen des Anlagevermögens nur als letzte Möglichkeit zur Insolvenzabwehr ins Auge fassen, diese Möglichkeit muss jedoch ergriffen werden, wenn nur dadurch der Bestand des Unternehmens sicherzustellen ist. Ein weiterer Vorteil dieser Analyse ist, dass das Unternehmen – unabhängig von der Liquiditätsbetrachtung – erkennt, ob Vermögenswerte im Anlagevermögen enthalten sind, die aufgrund veränderter Marktgegebenheiten oder im Rahmen der Optimierung von Geschäfts- und Produktionsabläufen nicht mehr benötigt werden. Die dadurch zu erzielenden Verkaufserlöse erhöhen die Liquidität und können entweder zum Schuldenabbau oder für zukunftssichernde Investitionen eingesetzt werden.
Dafür müssen die nicht betriebsnotwendigen Teile des Anlagevermögens ermittelt und aufgelistet werden, und zwar hinsichtlich
- der Liquidierbarkeit (Zeitaspekt) und
- der wahrscheinlichen Höhe des Liquidationserlöses bzw. des Beleihungswertes, z. B. bei Wertpapieren (Wertaspekt).
Diese Aufstellung ist laufend (mindestens jährlich) zu aktualisieren.
1.2 Eigenkapital und Fremdkapital: Zusätzliche Zuführungen sind aufzulisten
Auf der Passivseite der Bilanz muss neben dem Eigenkapital auch das langfristige Fremdkapital analysiert werden. Einerseits sind die Möglichkeiten zusätzlicher Eigenkapitalzuführung (unterschiedlich nach der jeweiligen Unternehmensrechtsform) aufzulisten, andererseits sind die Möglichkeiten weiterer Zuführung von langfristigem Fremdkapital (nicht ausgeschöpfter Kreditrahmen bei bestehenden Kapitalgebern; neue Kapitalgeber; stille Beteiligungen, Unternehmensumwandlung, etc.) festzuhalten.
1.3 Kosten und Erlöse analysieren
Ebenso sollte jedes Unternehmen seine Kosten kennen und analysieren. Mit Ausnahme von Kleinunternehmen ist daher eine aussagefähige Kostenrechnung erforderlich. Falls vorhanden sind den unternehmensspezifischen – insbesondere die signifikanten – Kostenbereiche Branchenvergleichszahlen gegenüberzustellen. Eine detaillierte Kostenkontrolle muss fortlaufend erfolgen, da in einer Liquiditätskrise nicht alle Kostenbereiche kurzfristig reduziert werden können. In vielen Bereichen gibt es vertragliche Vereinbarungen, die nur mittel- oder gar langfristig veränderbar sind.
Ein weiterer Bereich der positiven Einflussnahme auf die Liquidität ist der Erlösbereich des Unternehmens. Hier stehen Maßnahmen im Vordergrund, die zu einer kurzfristigen Umsatzsteigerung führen, z. B. Sonderverkaufsaktionen, Rabattaktionen, zusätzlicher Einsatz von Handelsvertretern oder gezielte Marketingmaßnahmen.