Rn. 59
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
§ 1 Abs 1 S 2 EStG bestimmt in der ab dem VZ 2016 geltenden Fassung des StÄndG 2015, dass bei Ausübung der dort genannten Tätigkeiten der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil an der sog ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) sowie am Festlandsockel zum Inland gehört; das Küstenmeer (die Zwölf-Seemeilen-Zone) gehört bereits nach § 1 Abs 1 S 1 EStG zum Inland (s Rn 51). Das Zweite StÄndG 1973 sah mit § 1 Abs 1 S 2 EStG zunächst nur insoweit eine Erweiterung des ertragsteuerrechtlichen Inlandsbegriffs vor, soweit der Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel in Bezug auf Naturschätze des Meeresgrunds und des Meeresuntergrunds erforscht oder ausgebeutet wurde. Zur Wahrung einer gleichmäßigen Besteuerung bezog die Bundesrepublik mit dem JStG 2008 den Festlandsockel auch insoweit in den Inlandsbegriff ein, als dort durch Betreiben von Offshore-Windkraftanlagen oder -parks Energie unter Nutzung erneuerbarer Energien erzeugt wurde (BT-Drucks 16/6739, 1f). Da die Erzeugung von Windenergie aber schwerlich als Nutzung des Meeresbodens oder des Unterbodens angesehen werden kann (s Waldhoff/Engler, FR 2012, 254), hat der Gesetzgeber § 1 Abs 1 S 2 EStG mit dem KroatienAnpG – wie er meint klarstellend (s BT-Drucks 18/1529, 63) – neu gefasst (s hierzu Gosch in Kirchhof, § 1 EStG Rz 6d und Maciejewski/Theilen, IStR 2016, 401) und nahm in der Nr 2 insoweit nun auf das Gebiet der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Bezug.
Die aktuelle Fassung des StÄndG 2015 lehnt sich an die Deutschland als Küstenstaat in Art 56ff SRÜ eingeräumten Befugnisse an und erweitert den ertragsteuerlichen Inlandsbegriff auf sämtliche hieraus ableitbaren Besteuerungsrechte. Nach der Genfer Konvention über den Festlandsockel v 29.04.1958 stehen Küstenstaaten auf diesem Gebiet völkerrechtlich weitere Hoheitsrechte zu. Auf Basis dieser Konvention hatte die Bundesrepublik Deutschland zunächst mit der Proklamation über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandsockels v 20.01.1964 (BGBl II 1964, 104) den Umfang ihrer diesbezüglichen Hoheitsrechte festgelegt. Nach Inkrafttreten des SRÜ zum 01.01.1995 umfasst der Festlandsockel den jenseits des Küstenmeeres gelegenen Meeresboden und Meeresuntergrund der Unterwassergebiete, die sich über die gesamte natürliche Verlängerung seines Landgebiets bis zur äußeren Kante des Festlandrands erstrecken oder bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen (Art 76 Abs 1 SRÜ). Für Deutschland entspricht dies geographisch letztlich zugleich dem Gebiet der mit Proklamation v 25.11.1994 (BGBl II 1994, 3769) errichteten AWZ iSd Art 55 u 57 SRÜ (BT-Drucks 18/1529, 63).
§ 1 Abs 1 S 2 EStG bezieht nunmehr über die Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien hinaus auch andere wirtschaftliche Tätigkeiten im Bereich des der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Festlandssockels (jetzt § 1 Abs 1 S 2 Nr 2 EStG) und der AWZ (jetzt § 1 Abs 1 S 2 Nr 1 EStG) in den Inlandsbegriff mit ein, wie bspw die gewerbliche Fischzucht. Ziel ist es, eine steuerliche Ungleichbehandlung von im Ausland ansässigen und inländische StPfl bei Einkünften im Offshore-Bereich zu vermeiden (BT-Drucks 18/4902, 41).
Rn. 60
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
§ 1 Abs 1 S 2 Nr 1 EStG sieht vor, dass zum Inland der Deutschland zustehende Anteil an der AWZ gehört, soweit dort
- die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht, ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden (Buchst a),
- andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der AWZ ausgeübt werden, wie bspw die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind (Buchst b) oder
- künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in den Buchst a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden (Buchst c).
Dies entspricht den der Bundesrepublik als Küstenstaat in Art 56 Abs 1 und Art 60 SRÜ eingeräumten Befugnissen.
Rn. 61
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
§ 1 Abs 1 S 2 Nr 2 EStG bezieht – wie schon bisher – den Deutschland nach Art 77 SRÜ zustehenden Anteil am Festlandsockel ein, soweit dort
- dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet (Buchst a) oder
- künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in Buchst a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden (Buchst b).
Zum Festlandsockel s BFH v 05.10.1977, I R 250/75, BStBl II 1978, 50.
Rn. 62
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Natürliche Ressourcen sind nach der auf Art 77 Abs 4 SRÜ basierenden Legaldefinition in § 1 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst a Hs 2 EStG die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können. Bei dem Begriff der natürlichen Ressourcen ...