1. Allgemeines
Rn. 87
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Die unbeschränkte StPfl im Inland kann auch durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründet werden. Die Formulierung "gewöhnlich" ist hier gleichbedeutend mit "dauernd", wobei jedoch keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich ist (BFH v 30.08.1989, I R 215/85, BStBl II 1989, 956).
Der gewöhnliche Aufenthalt ist dann für die Begründung der unbeschränkten StPfl im Inland ausschlaggebend, falls der StPfl seinen (steuerlichen) Wohnsitz ausschließlich im Ausland hat.
Anders als beim Wohnsitzbegriff, der mehrere Wohnsitze nebeneinander zulässt, kann der StPfl stets nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben (BFH v 09.02.1966, I 244/63, BStBl III 1966, 522). Ein solcher kann auch durch einen Zwangsaufenthalt (zB in einer Justizvollzugsanstalt) begründet werden (BFH v 14.11.1986, VI B 97/86, BFH/NV 1987, 262).
Auch der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht im EStG definiert, sondern in der AO. Nach § 9 S 1 AO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
Ergänzend legt § 9 S 2 AO fest, dass als ein gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich der AO (und damit im Inland) stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen ist, wobei kurzfristige Unterbrechungen unberücksichtigt bleiben (§ 9 S 2 Hs 2 AO). Als solche sind zB Urlaub, Schulungen, Familienheimfahrten, Dienstreisen und Ähnliches anzusehen.
Rn. 88
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Vom gewöhnlichen Aufenthalt ausgenommen sind Aufenthalte im Inland, die ausschließlich Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken dienen und nicht länger als ein Jahr dauern (§ 9 S 3 AO).
Rn. 89
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Kein gewöhnlicher Aufenthalt liegt vor, wenn Personen im Inland eine Tätigkeit ausüben, zum Übernachten aber täglich zu ihrem ausländischen Wohnsitz zurückkehren, wie das bei den sog Grenzgängern der Fall ist (BFH v 25.08.1988, I R 225/82, BStBl II 1988, 944 mwN; ferner s Rn 91). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine von einem deutschen ArbG europaweit eingesetzte Person (zumindest) ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (s BFH v 13.11.2014, III R 38/12, HFR 2015, 584).
2. Begründung
Rn. 90
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Der gewöhnliche Aufenthalt wird in dem Zeitpunkt begründet, in dem die Tatbestandvoraussetzungen des § 9 S 1 o 2 AO erfüllt sind. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der StPfl ins Inland einreist und der Aufenthalt nicht nur zu einem vorübergehenden Verweilen führt. Zivil- und melderechtliche Begründungstatbestände sind unbeachtlich (Avvento in Gosch, § 9 AO Rz 1), ebenso der Wille des StPfl (vgl Drüen in Tipke/Kruse, § 9 AO Rz 2). Daher kann zB ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet sein, wenn ein StPfl als Besucher einreist und entgegen seinen Absichten bei der Einreise eine länger dauernde Erwerbstätigkeit im Inland aufnimmt.
Für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts an einem bestimmten Ort ist stets die dortige körperliche Anwesenheit der Person erforderlich (BFH v 18.07.1990, I R 109/88, BFHE 161, 482). Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland kann deshalb nicht bereits ab Geburt angenommen werden, wenn das Kind sich nicht in Deutschland aufhält (BFH v 07.04.2011, III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351).
Im Fall des § 9 S 2 AO wird der gewöhnliche Aufenthalt bei Überschreitung der Sechsmonatsfrist rückwirkend ("von Beginn an") begründet.
3. Grundsatz (§ 9 S 1 AO)
Rn. 91
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Der StPfl muss sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet tatsächlich, dh körperlich, aufhalten und verweilen.
Ort ist jede beliebige Stelle, die bestimmbar ist. Das kann eine politische Gemeinde sein, aber auch ein anderer Ort, wie zB die Betriebsstätte, die Baustelle, ein Gebäude und Ähnliches (Drüen in Tipke/Kruse, § 9 AO Rz 5).
Gebiet ist eine Fläche, die über die des Orts weit hinausgeht. IRd § 1 EStG kann der in § 9 S 2 AO geprägte Gebietsbegriff, nachdem sich der gewöhnliche Aufenthalt auf den gesamten Geltungsbereich der AO erstrecken kann, auch auf Fälle des § 9 S 1 AO angewendet werden, da sich das Territorium nach der Vorschrift bestimmt, die an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft (ebenso Avvento in Gosch, § 9 AO Rz 27 mwN; Drüen in Tipke/Kruse, § 9 AO Rz 5). Daher kann der gewöhnliche Aufenthalt eines StPfl im gesamten Bundesgebiet begründet sein. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass StPfl, wie zB Sportler, Musiker, Filmschauspieler, die an mehreren Orten tätig werden, ebenfalls von der unbeschränkten StPfl erfasst werden.
Rn. 92
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Der StPfl muss sich dort unter Umständen aufhalten, die erkennen lassen, dass er nicht nur vorübergehend verweilt.
Entscheidend ist immer, ob der Betreffende eine gesteigerte räumliche Bindung zu dem Ort oder Gebiet hat. Hierzu reicht das Vorhandensein einer wirtschaftlichen Existenzgrundlage im Inland, die die tägliche Anwesenheit erfordert, nicht aus, wenn der StPfl jeweils nach Gesc...