1. Antrag
Rn. 128
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Formelle Voraussetzung zur Erlangung der fiktiven unbeschränkten StPfl ist die Antragstellung. Der Antrag ist formlos und für jedes Veranlagungsjahr erneut gegenüber dem nach § 19 Abs 2 AO zuständigen FA (BFH v 24.05.2012, III R 14/10, BStBl II 2012, 897) zu stellen.
Der Antrag ist ein genereller Antrag, er kann also nicht auf einzelne Einkunftsarten beschränkt werden.
Eine Frist zur Antragstellung existiert – abgesehen von den allg Verjährungsfristen der §§ 169ff AO – nicht. Er kann daher bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beim FG gestellt – auch hilfsweise für den Fall, dass das FA oder das FG nicht aus anderen Gründen zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung gelangt (BFH v 19.10.2010, I R 109/09, BStBl II 2011, 443) – oder widerrufen, jedoch nicht mehr im Revisionsverfahren gestellt werden (BFH v 13.08.1997, I R 65/95, BStBl II 1998/, 21).
Als Nachweis für eine Behandlung als unbeschränkt stpfl gemäß § 1 Abs 3 EStG (zB für einen Kindergeldanspruch nach § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG) sind nur Beweismittel geeignet, aus denen sich ergibt, dass für den betreffenden Anspruchszeitraum bereits eine entsprechende steuerliche Behandlung nach § 1 Abs 3 EStG durch das zuständige FA vorgenommen wurde; Bescheinigungen des FA, die schon vor Beginn des maßgeblichen VZ für einen unbegrenzten Zeitraum in der Zukunft ausgestellt werden, sind keine tauglichen Beweismittel (BFH v 22.02.2018, III R 10/17, BStBl II 2018, 717).
2. Einkunftsgrenzen
Rn. 129
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Weitere Voraussetzung ist, dass
- die Einkünfte im Kj zu mindestens 90 % der deutschen ESt unterliegen (sog relative Wesentlichkeitsgrenze) oder
- die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs 1 S 1 Nr 1 EStG nicht übersteigen (sog absolute Wesentlichkeitsgrenze).
Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Einkunftsgrenzen wurden durch den EuGH mit der Entscheidung im Fall Gschwind (s EuGH v 14.09.1999, C-391/97, BStBl II 1999, 841) ausgeräumt. S dazu auch BFH v 15.05.2002, I R 40/01, BStBl II 2002, 660; BFH v 17.09.2007, I B 96/07, BFH/NV 2008, 205; BFH v 20.08.2008, I R 78/07, BStBl II 2009, 708.
Rn. 130
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vorläufig frei
a) Relative Wesentlichkeitsgrenze (90 %)
Rn. 131
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Die relative Einkunftsgrenze führt dazu, dass je geringer die der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte sind, auch der Grenzwert, der ggf die beschränkte StPfl auslöst, proportional sinkt, weil die 90 %-Grenze überschritten wurde.
Beispiel:
Ein StPfl, der inländische Gesamteinkünfte von 50 000 EUR erzielt, kann ausländische Einkünfte von bis zu 4 999,99 EUR beziehen, ohne dass dadurch die fiktive unbeschränkte StPfl gefährdet würde.
Hingegen darf ein StPfl mit inländisch Gesamteinkünften von 18 000 EUR im Ausland lediglich 1 799,99 EUR beziehen.
Rn. 132
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Die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs 3 S 2 EStG erfolgt in zwei Stufen.
- Im ersten Schritt (entsprechend einer angenommenen unbeschränkten EStPfl) ist die Summe der Welteinkünfte, dh die Summe sämtlicher Einkünfte, unabhängig davon zu ermitteln, ob sie im Inland oder Ausland erzielt wurden.
- Im zweiten Schritt sind diese Welteinkünfte in die Einkünfte, die der deutschen ESt unterliegen, und die Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, aufzuteilen (zB BFH v 01.10.2014, I R 18/13, BStBl II 2015, 474).
Sowohl die Qualifikation als auch die Ermittlung der Einkünfte richten sich dabei nach deutschem ESt-Recht (Gosch in Kirchhof, § 1 EStG Rz 19); entsprechend sind Einkünfte iSv § 1 Abs 3 S 2 EStG solche iSd § 2 Abs 1 u 2 EStG (BFH v 20.08.2008, I R 78/07, BStBl II 2009, 708). Ohne Relevanz ist somit die Besteuerung nach dem Recht eines ausländischen Staats, insb ob die Einkünfte dort steuerfrei sind (s Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz 266).
Erträge oder Verluste solcher wirtschaftlicher Vorgänge, die nicht einem der Einkunftstatbestände des § 2 Abs 1 EStG unterstehen (und damit im Falle einer unbeschränkten StPfl im Inland nicht Teil der steuerbaren (Welt-)Einkünfte des Betroffenen sind), sind nicht in die Prüfung der Einkunftsgrenzen des § 1 Abs 3 EStG einzubeziehen (BFH v 01.10.2014, I R 18/13, BStBl II 2015, 474). Dies gilt bspw für einen nach dem Steuerrecht des ausländischen Wohnsitzstaats stpfl Nutzungswert der eigenen Wohnung (s BFH v 01.10.2014, I R 18/13, BStBl 2015, 474).
Da in die Berechnung der Einkunftsgrenzen nur solche Einkünfte einzubeziehen sind, die der deutschen ESt unterliegen, sind in Deutschland nach einem DBA von der ESt freigestellte Einkünfte nicht einzubeziehen (BFH v 20.08.2003, I R 72/02, BFH/NV 2004, 321; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz 266).
Inländische Einkünfte, die – wie zB Dividenden und Zinsen – nach einem DBA nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten nach § 1 Abs 3 S 3 EStG als nicht der deutschen ESt unterliegend und sind deshalb ebenfalls nicht in die Wesentlichkeitsberechnung einzubeziehen (zur Einbeziehung von der AbgSt unterliegenden Kapitaleinkünften in die Prüfung der Einkunf...