Dr. Michael Hoheisel, Dr. Michael Tippelhofer
1. Rechtsentwicklung
Rn. 298
Stand: EL 141 – ET: 02/2020
Bis zum VZ 2005 konnten Kinderbetreuungskosten nach § 33c EStG aF als ag Belastung steuermindernd berücksichtigt werden. Darüber hinausgehende Kinderbetreuungskosten konnten nur noch iRd § 35a EStG als Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und Dienstleistungen geltend gemacht werden.
Mit Wirkung ab dem VZ 2006 bis zum VZ 2008 hat der Gesetzgeber durch das G zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung v 26.04.2006, BGBl I 2006, 1091 die steuerliche Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten vollständig neu geregelt, um die Vereinbarkeit der Kinderbetreuung mit der Erwerbstätigkeit zu verbessern und um gleichzeitig für mehr Beschäftigung zu sorgen (BT-Drucks 16/643, 6). Nunmehr konnten berufstätige Eltern und berufstätige Alleinerziehende zwei Drittel ihrer Aufwendungen für die (erwerbsbedingte) Betreuung ihrer Kinder, maximal 4 000 EUR je Kind, "wie" BA oder WK abziehen, § 4f EStG aF und § 9 Abs 5 EStG aF iVm § 4f EStG aF. Ein Abzug von nicht erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten als SA kam nach § 10 Abs 1 Nr 8 EStG aF in Höhe von zwei Drittel der Aufwendungen, maximal 4 000 EUR je Kind, in Betracht, wenn der alleinerziehende StPfl sich in Ausbildung befand oder behindert oder krank war. Zusammenlebende Eltern konnten nach § 10 Abs 1 Nr 8 S 3 EStG aF Kinderbetreuungskosten als SA absetzen, wenn beide Elternteile sich in Ausbildung befanden oder behindert oder krank waren oder ein Elternteil sich in Ausbildung befand oder behindert oder krank war und der andere Elternteil erwerbstätig war. Darüber hinaus sah § 10 Abs 1 Nr 5 EStG aF vor, dass StPfl zwei Drittel ihrer Aufwendungen für die Betreuung ihrer Kinder, maximal 4 000 EUR je Kind, als SA abziehen konnten, auch wenn keine Erwerbstätigkeit, Fortbildung, Krankheit oder Behinderung vorlag, sofern das Kind das dritte Lebensjahr vollendet, das sechste Lebensjahr aber noch nicht vollendet hatte.
§ 10 Abs 1 Nr 5 EStG aF berücksichtigte damit sämtliche Kinderbetreuungskosten für Kinder, die typischerweise einen Kindergarten besuchen. Wurden Kinderbetreuungskosten "wie" BA oder WK oder als SA berücksichtigt, konnte der StPfl keine Steuerermäßigung für Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und Dienstleistungen nach § 35a EStG mehr in Anspruch nehmen. Nur wenn Kinderbetreuungskosten nicht nach §§ 4f, 9 Abs 5, 10 Abs 1 Nr 5 u 8 EStG aF berücksichtigt wurden, konnte eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Betracht kommen, § 35a Abs 1 S 1 u Abs 2 S 3 EStG aF. Zudem ist der bisherige Abzug von Kinderbetreuungskosten nach § 33a EStG aF mit Wirkung ab dem VZ 2006 entfallen.
Ab dem VZ 2009 bis zum VZ 2011 sind die bisherigen Regelungen zur Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten nach §§ 4f, 9 Abs 5, 10 Abs 1 Nr 5 u 8 EStG aF durch das FamilienleistungsG v 22.12.2008, BGBl I 2008, 2955 ohne materiell-rechtliche Änderungen durch § 9c EStG aF ersetzt worden.
Mit Wirkung ab dem VZ 2012 ist die steuerliche Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten mit dem StVereinfG 2011 vereinfacht worden. Nach der Neuregelung sind Kinderbetreuungskosten nunmehr einheitlich nach § 10 Abs 1 Nr 5 EStG als SA und nicht mehr, wie bisher, auch "wie" BA (§ 9c EStG aF) oder "wie" WK (§ 9 Abs 5 S 1 EStG aF iVm § 9c EStG aF) abziehbar. § 9c EStG aF ist durch das StVereinfG aufgehoben und mit dem neuen § 10 Abs 1 Nr 5 EStG zusammengeführt worden. Dabei ist auch die bisherige Unterscheidung zwischen erwerbsbedingten und nicht erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten weggefallen. Nach der Systematik des StVereinfG sind Kinderbetreuungskosten nunmehr vor allem privat veranlasst. Auf die bisherigen persönlichen Anspruchsvoraussetzungen der stpfl Eltern, wie zB Erwerbstätigkeit, Ausbildung, Krankheit oder Behinderung, kommt es nicht mehr an. Hierdurch wird für den StPfl der Nachweisaufwand und für das FA der Prüfungsaufwand reduziert (BT-Drucks 17/5125, 37). An der Einordnung, welche konkreten Aufwendungen zu den Kinderbetreuungskosten gehören, hat sich durch die Neuregelung nichts geändert.
§ 10 Abs 1 Nr 5 EStG idF StVereinfG 2011 gilt nach § 52 Abs 1 EStG idF StVereinfG 2011 ab dem 01.01.2012. StPfl mit abweichendem Wj (§ 4a EStG) können Kinderbetreuungskosten für die Zeit vom Beginn des abweichenden Wj 2011 bis zum 31.12.2011 bis zu dem zeitanteiligen Höchstbetrag des § 9c EStG aF "wie" BA abziehen. Die ab dem 01.01.2012 anfallenden Kinderbetreuungskosten können nur als SA nach Maßgabe des § 10 Abs 1 Nr 5 EStG idF StVereinfG 2011 geltend gemacht werden (BMF BStBl I 2012, 307 Tz 31).
2. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen
Rn. 299
Stand: EL 141 – ET: 02/2020
Verfassungsrechtlich geboten ist zumindest der steuerliche Abzug erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten. Dem Gesetzgeber steht es grds allerdings frei, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht oder im Sozialrecht zu berücksichtigten (BFH BStBl II 2014, 383). Der Gesetzgeber muss nach der Rspr des BVerfG jedoch in jedem Fall beachten, dass Art 6 Abs 1 GG die elterliche E...