Peter Gassen, Dr. Karoline Schwarz
1. Systematik des Verlustvortrags
Rn. 66
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Können Verluste in einem VZ nicht ausgeglichen bzw rückgetragen werden oder werden sie auf Antrag des StPfl nicht rückgetragen, sind sie zwingend in den folgenden VZ vorzutragen, § 10d Abs 2 EStG. Die Möglichkeit der Nichtnutzung wird dabei nicht verfahrensrechtlich, sondern materiell-rechtlich verstanden, BFH v 15.05.2013, IX R 5/11, BStBl II 2014, 143. Der Verlust wird mithin von Amts wegen in den VZ abgezogen, die nach dem VZ der Verlustentstehung liegen, und zwar frühestmöglich und in weitest möglichem Umfang; kein Verlustverbrauch aber bei vom FA irrtümlich vorgenommenem Verlustrücktrag s FG Sa v 09.11.1989, 2 K 182/89, EFG 1990, 306. Der Verlustvortrag unterliegt seit VZ 1990 keiner zeitlichen Begrenzung. Zur Feststellung des vortragfähigen Verlusts s Rn 77ff.
2. Verlustvortrag in VZ 1999–2003
Rn. 67
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Der Verlustvortrag innerhalb einer Einkunftsart ist in VZ 1999–2003 unbeschränkt möglich, § 10d Abs 1 S 2, Abs 2 S 2 EStG aF. Der vortragsfähige Verlust zwischen den Einkünften unterliegt dagegen den Beschränkungen des § 10d Abs 2 S 3 EStG aF und ist nur möglich bis EUR 51 500 ab VZ 2002 bzw DM 100 000 bis VZ 2001 uneingeschränkt und darüber hinaus bis zur Hälfte der verbleibenden Einkünfte. Bei zusammenveranlagten Ehegatten verdoppeln sich die Beträge jeweils, s § 10d Abs 2 S 4 EStG aF.
3. Verlustvortrag ab VZ 2004
Rn. 68
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Die durch das StEntlG 1999/2000/2002 eingeführte vertikale Beschränkung der Verlustverrechnung wurde mit dem Korb-II-G durch eine Begrenzung der horizontalen Verlustverrechnung ersetzt. Nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht als Verlustrücktrag abgezogen worden sind, sind in den folgenden VZ nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von EUR 1 Mio unbeschränkt vortragbar, darüber hinaus ist der Verlustabzug nur noch bis zu 60 % des EUR 1 Mio übersteigenden Gesamtbetrages der Einkünfte abziehbar.
Konsequenz ist, dass die den Sockelbetrag übersteigenden Einkünfte zu versteuern sind und im Folgenden über den Sockelbetrag hinaus der Verlustvortrag gestreckt wird, s Herff, KÖSDI, 2004, 14 253, 14 254. Der Verlustvortrag ist zeitlich nicht begrenzt.
Bei zusammenveranlagten Ehegatten wird der Sockelbetrag von EUR 1 Mio auf EUR 2 Mio verdoppelt; zur Berücksichtigung des Verlustvortrags bei Ehegatten, wenn diese im Gegensatz zum Jahr der Verlustentstehung im Jahr des Verlustvortrags nicht mehr zusammenveranlagt sind s § 62d Abs 2 EStDV nF. Im Verlustentstehungsjahr bleibt weiterhin der volle Ausgleich möglich. Dies gilt auch für den Verlustrücktrag. Beispiel zur Verlustvortragsbegrenzung bei zusammenveranlagten StPfl in H 10d EStH 2019.
Rn. 69
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Beispiel:
Ein StPfl hat in den VZ 2014 und 2015 Verlustvorträge in Höhe von EUR 6 000 000 angesammelt. Im VZ 2016 wird ein Gewinn in Höhe von EUR 800 000 erwirtschaftet. Im VZ 2017 wird ein Gewinn von EUR 2 500 000 erzielt.
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Entwicklung Verlustvortrag |
VZ 2015: Verlustvortrag |
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EUR ./. 6 000 000 |
VZ 2016: Gewinn |
EUR 800 000 |
EUR 800 000 |
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EUR ./. 5 200 000 |
VZ 2017: Gewinn |
EUR 2 500 000 |
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Sockelbetrag |
EUR 1 000 000 |
EUR 1 000 000 |
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EUR 1 500 000 |
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davon 60 % vortragsfähig |
EUR 900 000 |
EUR 900 000 |
VZ 2017: zu versteuernde Einkünfte |
EUR 600 000 |
EUR ./. 3 300 000 |
Rn. 70
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Aus der Abschaffung der eingeschränkten Verlustverrechnung nach § 2 Abs 3 S 2ff EStG idF StEntlG 1999/2000/2002 ergeben sich in erster Linie Vorteile für Privatpersonen, da KapGes schon kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielen und somit bereits insofern eine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten nicht in Betracht kam, s Groß/Steiger, DStR 2004, 1203.
Rn. 71
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Die Neuregelung ist durchaus kritisch zu sehen; zu den verfassungsrechtlichen Bedenken s Rn 5f. Zwar gibt die Neuregelung keine zeitliche Grenze für den Verlustvortrag vor, so dass insofern das Nettoprinzip, wonach alle Verluste aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit Gewinnen aus der Tätigkeit verrechnet werden können müssen, im Grunde nicht verletzt ist. Problematisch sind allerdings vor allem Insolvenzfälle, Unternehmen mit zyklischen Ergebnisentwicklungen und KapGes, die nur auf bestimmte Dauer errichtet sind, wie zB Objektgesellschaften, die Verluste oder Gewinne jeweils geballt in VZ erwirtschaften und nach Erreichung des Geschäftszwecks planmäßig liquidiert werden. In solchen Fällen kann es dazu kommen, dass Verlustvorträge verloren gehen und es somit zu einer Effektivbesteuerung kommt. In Insolvenzfällen führt die Beschränkung der Nutzung von Verlustvorträgen nach § 10d Abs 2 EStG zudem zu einer erheblichen Belastung der Masse. Die Einordnung der Ertragsteuer auf den Überschuss aus der Abwicklung des Unternehmens als Masseverbindlichkeit führt regelmäßig dazu, dass die Quote der Insolvenzforderungen der sonstigen Gläubiger null beträgt; s Gilz/Kuth, DStR 2005, 184.
Beispiel:
A und B gründen im Rahmen eines Joint Ventures im Jahr 01 eine KapGes zur Entwicklung und Veräußerung von Be...