A. Allgemeines, Entstehungsgeschichte, Gesetzgebungsverfahren
Rn. 1
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022 v 23.05.2022 (BGBl I 2022, 749), das rückwirkend zum 01.01.2022 in Kraft getreten ist (Art 4 Abs 2 Steuerentlastungsgesetz 2022), sind im neuen Abschnitt XV. "Energiepreispauschale" die §§ 112–122 EStG angefügt worden. In dem Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 2022 der Bundesregierung (BT-Drucks 20/1412, gleichlautend mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (BT-Drucks 20/1333)), war die Energiepreispauschale noch nicht enthalten. Deren Einführung erfolgte in Umsetzung des sogenannten Entlastungspakets II durch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (vgl Beschlussempfehlung und Beschluss des Finanzausschusses (BT-Drucks 20/1765, 21 sowie die Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung in der 7. Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages v 25.04.2022).
Den erwarteten Auszahlungen von rund 13,8 Milliarden EUR aus dem LSt-/ESt-Aufkommen stehen rund 3,4 Milliarden EUR Mehreinahmen bei LSt, ESt und SolZ gegenüber, so dass sich im Saldo Steuermindereinnahmen iHv rund 10,4 Milliarden EUR ergeben (BT-Drucks 20/1765, 3).
Die stpfl Energiepreispauschale für den VZ 2022 iHv 300 EUR für jeden Anspruchsberechtigten (§ 112 Abs 1 u 2 EStG, § 113 EStG) dient dazu, die durch die sprunghaft und drastisch gestiegenen Energiekosten verursachten Härten kurzfristig abzufedern (BT-Drucks 20/1765, 24). Es handelt es sich um "einen Zuschuss zum Gehalt", der infolge der EStPfl sozial gerecht ausgestaltet sei (BT-Drucks 20/1765, 19). Die Energiepreispauschale beinhalte "für aktiv tätige Erwerbspersonen" einen Ausgleich für die kurzfristig und drastisch gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen. Die Entfernungspauschale werde bisher nur für Fernpendler moderat erhöht, so dass bei den übrigen Erwerbstätigen besonderer Nachholbedarf entstehe (BT-Drucks 20/1765, 24). Da es derzeit noch keinen Auszahlungsmechanismus gebe, um die Energiepreispauschale direkt an die Bürgerinnen und Bürger auszuzahlen, müsse bei ArbN die Auszahlung über die ArbG erfolgen (BT-Drucks 20/1765, 19). Die Energiepreispauschale dient somit nicht der materiellen Einkommensbesteuerung (Bergan, DStR 2022, 1017, 1020).
B. Gesetzgebungskompetenz des Bundes
Rn. 2
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Ob eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art 105 Abs 2 S 1 GG für die Einführung der Energiepreispauschale besteht, könnte zweifelhaft erscheinen (Bergan, DStR 2022, 1017, 1019). Nach Art 105 Abs 2 S 1 GG Alt 1 hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht. Bei der Energiepreispauschale dürfte es sich um einen im EStG geregelten staatlichen Aufwandszuschuss handeln, da dieser dazu dienen soll, "drastische gestiegene erwerbsbedingte Wegeaufwendungen" von aktiv tätigen Erwerbspersonen auszugleichen. Bei den Anspruchsberechtigten handelt es sich nach § 113 EStG um unbeschränkt StPfl nach § 1 Abs 1 EStG, die im VZ 2022 Einkünfte aus § 13, § 15, § 18 EStG oder § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG erzielen. Bei den "Wegeaufwendungen" handelt es sich somit um beruflich/betrieblich veranlasste Erwerbsaufwendungen (BA oder WK) der Anspruchsberechtigten (vgl dazu BVerfG v 09.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BFH/NV 2009, 338 Rz 59, die nur eingeschränkt steuerlich abzugsfähig sind (§ 4 Abs 5 S 1 Nr 6 EStG bzw § 9 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG.
Die stpfl Energiepreispauschale dient dazu, den Anteil der Wegeaufwendungen, die wegen deren gesetzlich geregelter steuerlich nur beschränkter Abzugsfähigkeit nicht in voller Höhe als BA oder WK geltend machen werden können, teilweise in pauschalierter Höhe auszugleichen. Allerdings ist die Energiepreispauschale wenig zielgenau, da sie jedem StPfl mit aktiven Einkünften gewährt wird und damit die individuelle Situation nur bedingt berücksichtigt (Hechtner, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages in der 7. Sitzung v 25.04.2022 zu dem Gesetzentwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022, 3).
Im EStG finden bzw fanden sich ähnliche Regelungen in § 66 Abs 1 S 2–4 EStG. Danach wird bzw wurde in den VZ 2020, 2021 und 2022 für jedes kindergeldberechtigte Kind ein Kinderbonus (im VZ 2020: 300 EUR, im VZ 2021: 150 EUR, im VZ 2022: 100 EUR) gezahlt, der einen zusätzlichen Nachfrageimpuls durch Familien bewirken sollte (BT-Drucks 19/20058, 24). Dieser Kinderbonus ist bei der Vergleichsberechnung nach § 31 S 4 EStG zu berücksichtigen (§ 66 Abs 1 S 4 EStG), wird aber, ebenso wie die Energiepreispauschale (§ 121 EStG), nicht auf Sozialleistungen angerechnet (BT-Drucks 19/20058, 24). Die Energiepreispauschale enthält ebenfalls einen Sozialtransfer mit großer Breitenwirkung, der zu einer finanziellen Entlastung der StPfl führt (Hechtner, aaO, 3). Nach BMF FAQs EPP XI. (Stand 20.07.2022) stellt die Energiepreispauschale eine staatliche Sozialleistung dar.
Rn. 3–6
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
vorläufig frei