1. Allgemeines
Rn. 90
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Die Abgrenzung zwischen der Erwerbssphäre und der Privatsphäre wird wegen der Vielgestaltigkeit möglicher Sachzusammenhänge in § 12 Nr 1 EStG nicht mittels eines trennscharf formulierten (geschlossenen) Tatbestands vorgenommen. Der offene Begriff der "Aufwendungen für die Lebensführung" mit beispielhaft erläuternder Normstruktur gebietet eine wertende Zuordnung der Aufwendungen unter Zuhilfenahme einer einheitlichen Methodik. Die von der Rspr verwendete Methode für die Zuordnung der Aufwendungen ist das Veranlassungsprinzip (vgl nur BFH VIII R 28/17, BStBl II 2021, 14; BFH VI R 24/16, BStBl II 2019, 376; BFH VI R 24/15, BStBl II 2016, 744; BFH VI R 37/12, BStBl II 2013, 815).
Rn. 91
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Der Veranlassungszusammenhang mit der Erwerbssphäre ist gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und der Einkünfteerzielung subjektiv zu dienen bestimmt sind, dh, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des EStG stehen (zB BFH XI R 22/18, BFH/NV 2020, 194; BFH IV R 22/15, BFH/NV 2018, 335; BFHVI R 7/16, BStBl II 2017, 409; BFH GrS 1/06, BStBl II 2010, 672; vgl auch Tz 8 BMF BStBl I 2010, 614).
Rn. 92
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Der objektive Zusammenhang wird stets zwingend vorausgesetzt, während die subjektive Absicht, den Betrieb bzw den Beruf zu fördern, nicht in jedem Fall notwendig ist. Denn auch unfreiwillige Ausgaben und sog Zwangsaufwendungen müssen nach dem objektiven Nettoprinzip abzugsfähig sein (BFH VIII R 53/14, BStBl II 2018, 687; BFH VIII R 3/09, BStBl II 2012, 254; BFH X B 259/07 BFH/NV 2008, 958). Ebenfalls ohne Bedeutung ist, ob die subjektive Vorstellung des StPfl, dass die Aufwendungen den Betrieb bzw den Beruf fördern werden, zutreffend ist, oder ob der mit den Aufwendungen angestrebte Erfolg nicht eintritt. Auch vergebliche Aufwendungen sind abzugsfähig, wenn der Veranlassungszusammenhang gegeben ist (BFH X R 10/16, BStBl II 2018, 630; BFH IX R 12/12, BFH/NV 2014, 834; BFH GrS 1/89, BStBl II 1990, 830). In die Prüfung wird auch nicht einbezogen, ob die Aufwendungen nach objektiven Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig sind (BFH VI R 37/15, BStBl II 2017, 526; BFH IV R 40/97, BStBl II 1999, 828). Es reicht, wenn die Aufwendungen den Betrieb oder Beruf im weitesten Sinn fördern (BFH VI R 57/13, BStBl II 2014, 850; BFH VIII R 188/84, BStBl II 1986, 373).
Rn. 93–94
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
vorläufig frei
2. Konkretisierung des Veranlassungsprinzips anhand des "auslösenden Moments"
Rn. 95
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Der Veranlassungszusammenhang ist von der Rspr begrifflich weiter konkretisiert worden. Dazu sind zwei Voraussetzungen entwickelt worden, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit die betriebliche oder berufliche Veranlassung bejaht werden kann:
- das auslösende Moment für die Aufwendungen muss sich bei wertender Betrachtung im betrieblichen oder beruflichen Bereich des StPfl befinden
und
- der Aufwand muss der einkommensteuerlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen sein
(zB BFH VI R 15/17, BStBl II 2019, 446; BFH VI R 27/15, BStBl II 2018, 441; BFH VIII R 60/13, BStBl II 2015, 255; BFH VIII R 51/10, BStBl II 2013, 808; BFH VI R 23/10, BStBl II 2012, 829; BFH GrS 1/06, BStBl II 2010, 672).
Rn. 96
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Der Veranlassungszusammenhang ergibt sich dementsprechend aus den Gründen, aus denen der StPfl die Aufwendungen getätigt hat. Die Gründe sind das "auslösende Moment" für den Entschluss des StPfl, die Kosten tragen zu wollen (BFH VIII R 28/17, BStBl II 2021, 14; BFH IV R 22/14, BFH/NV 2017, 454; BFH GrS 1/06, BStBl II 2010, 672). Sie sind anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.
Beispiel 1:
Der Arzt A will einen medizinischen Fachvortrag in X halten. Er fliegt mit seinem Privatflugzeug nach X. Aus Gefälligkeit nimmt er ein befreundetes Ehepaar mit, das ebenfalls nach X reisen möchte. Infolge eines Flugfehlers des A stürzt das Flugzeug mit tödlichen Folgen für alle Insassen ab. Die Erbin des A hat erhebliche Schadensersatzleistungen an die Angehörigen des Ehepaars zu zahlen. Handelt es sich bei diesen Aufwendungen um BA der Arztpraxis, weil das den Schadensersatz auslösende Moment eine betriebliche Flugreise war (nach BFH IV R 26/04, BStBl II 2006, 182)?
Grundsätzlich teilen Unfallschäden steuerrechtlich das Schicksal der Fahrt oder Reise, auf der sie entstanden sind. Auch handelte es sich vorliegend um eine betrieblich veranlasste Flugreise. Andererseits hat A dem Ehepaar eine private Gefälligkeit erwiesen. Zu fragen ist, aus welchem Grund die Aufwendungen entstanden sind. Die Schadensersatzleistungen sind wegen der privaten Gefälligkeit entstanden. Ein Abzug der Aufwendungen als BA ist nicht möglich.
Beispiel 2:
Ein Student zahlt Semestergebühren. IRd Prüfung des Kindergeldanspruchs stellte sich nach damaliger Rechtslage die Frage, ob die Semestergebühren insgesamt ausbildungsbedingte Mehraufwendungen sind oder ob eine Aufteilung zu erfolgen hat, weil der Student mit dem Semesterticket den öffentlichen Nahverke...