Josef Mitterpleininger, Dipl.-Finw. (FH) Sebastian Gruber
Rn. 172
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
LuF, die zur Buchführung verpflichtet sind, aber keine ordnungsmäßigen Bücher führen, sind gem § 162 AO zu schätzen (Schätzungslandwirte). Bei einer Schätzung sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für ein solches Verfahren von Bedeutung sein können. Unschärfen, die jeder Schätzung anhaften, können im Allg vernachlässigt werden. Soweit sie sich zuungunsten des LuF auswirken, muss er sie hinnehmen, zumal wenn er den Anlass für die Schätzung gegeben hat. Deshalb kann der LuF gegenüber einer Richtsatzschätzung auch keine individuellen gewinnmindernden Besonderheiten seines Betriebs geltend machen (BFH v 29.03.2001, BStBl II 2001, 484).
Den Anforderungen an die Schätzung ist genügt, wenn der Gewinn nach einer anerkannten, für die betreffende Form der LuF brauchbaren Schätzungsmethode vorgenommen wird (BFH v 08.11.1984, BStBl II 1985, 352). Die Ergebnisse müssen allerdings schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH v 18.12.1984, BStBl II 1986, 226).
Eine Gewinnschätzung erweist sich aber erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Wird eine Vollschätzung aufgrund Verletzung von Buchführungs- oder Aufzeichnungspflichten erforderlich, so kann sich das FA aber an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der StPfl möglicherweise Einkünfte verheimlichen will (BFH v 01.10.1992, BStBl II 1993, 259).
Die Gewinnschätzung ist selbstverständlich keine zulässige Gewinnermittlungsart, sondern immer nur ein Notbehelf (aA Kanzler in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kap 28 Rz 21 (07/2024)); sie ist vielmehr insofern akzessorisch, als sie grundsätzlich nach der für den Betrieb maßgebenden Gewinnermittlungsart zu erfolgen hat. Auch die von der FinVerw jährlich herausgegebenen Schätzungsverfügungen ändern daran nichts; sie stellen insb keinen Verzicht der FinVerw dar, den tatsächlichen Gewinn im Rahmen einer späteren Außenprüfung zu ermitteln (BFH v 24.10.1985, BStBl II 1986, 233). Andererseits hat der geschätzte LuF keinen Anspruch darauf, dass für die Veranlagung seine Gewinne durch eine Außenprüfung oder ein Sachverständigengutachten genauer ermittelt werden (BFH v 08.11.1984, BStBl II 1985, 382).
Rn. 173
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
Die Vernachlässigung der Buchführungspflicht kann uU als Steuerhinterziehung (§ 370 Abs 1 Nr 1 AO) gewertet werden (Dieckmann/Sachenbacher, BB 1976, 1208).
Rn. 174
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Bei den von der FinVerw vorgenommenen Gewinnschätzungen haben sich im Wesentlichen zwei Verfahren herausgebildet:
- das Richtsatzverfahren und
- das Standartdeckungsbeitragsverfahren.
Beim Richtsatzverfahren, welches idR die brauchbarste Methode ist, um den Gewinn buchführungspflichtiger Landwirte zu schätzen (BFH v 08.11.1984, BStBl II 1985, 352), ist Ausgangspunkt der Schätzung der durchschnittliche Normalgewinn buchführender Betriebe. Dazu werden die Buchführungsergebnisse auf einen ha-Wert umgerechnet. Den regionalen Unterschieden, den verschiedenen Bodennutzungssystemen und dem unterschiedlichen Hackfruchtanteil wird dadurch Rechnung getragen, dass Ertragsgruppen gebildet werden. Bestimmte betriebsindividuelle Verhältnisse werden als (positive wie negative) Korrekturposten berücksichtigt.
Dagegen werden Standartdeckungsbeiträge (Köhne/Wesche, Landwirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl 1995, 265ff), aus der einzelnen Fruchtart oder Tierart abgeleitet. Dabei wird in starkem Maße auf statistische Unterlagen zurückgegriffen. Von diesen Werten werden die betriebsindividuell nachgewiesenen Kosten abgesetzt, wie zB Gemeinkosten, Gebäude-AfA und andere den Betrieb insgesamt treffende Kosten; demzufolge setzt eine Schätzung nach Standartdeckungsbeiträgen ein Mindestmaß an Aufzeichnungen des LuF voraus (BFH v 29.03.2001, BStBl II 2001, 484). Der so gefundene Ausgangsbetrag wird um bestimmte Zu- und Abrechnungen ergänzt.
Eine Vermischung der beiden Schätzungsmethoden ist nicht statthaft, denn die Schätzung als solche wäre dann nicht mehr schlüssig (BFH v 29.03.2001, aaO).
Keine große praktische Bedeutung haben im Veranlagungsverfahren Schätzungen durch Vermögensvergleich und Schätzungen in Anlehnung an den Umsatz (Reingewinnschätzungen), weil die dafür erforderlichen Grundlagen dem FA in aller Regel nicht bekannt sind.
Rn. 175
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
Bei der Schätzung handelt es sich um eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG.
Hat der LuF aber zulässigerweise einmal seinen Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG ermittelt und führt er keine Aufzeichnungen mehr, so ist sein Gewinn entsprechend den Grundsätzen des § 4 Abs 3 EStG zu schätzen (BFH v 15.04.1999, BStBl II 1999, 481).
Ein praktischer Unterschied bei der Schätzung besteht allerdings nicht, weil auch eine Gewinnschätzung nach § 4 Abs 3 EStG nach den von der FinVerw (für an sich buchführungspflichtige LuF) herausgegebenen Richtsätzen erfolgen kann (BFH v 15.04.1999, aaO).
Hat ein LuF einen Antrag nach § 13a Abs 2 EStG gestellt, ohne jedoch tatsäch...