Josef Mitterpleininger, Dipl.-Finw. (FH) Sebastian Gruber
a) Allgemeines
Rn. 144
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Veräußert ein luf Betrieb nicht nur seine Eigenerzeugnisse, sondern kauft fremde Erzeugnisse zu, ist der Betrieb unter Berücksichtigung der Grenzen des R 15.5 Abs 11 EStR 2012 als Gewerbebetrieb zu behandeln. Ob also ein Gewerbebetrieb vorliegt, ist zum einen davon abhängig, ob die zugekauften Produkte als fremde Erzeugnisse zu werten sind, und zweitens davon, ob der Umfang, in dem fremde Erzeugnisse verkauft werden, die Nichtaufgriffsgrenzen übersteigt.
Als eigene Erzeugnisse gelten alle luf Erzeugnisse, die iRd Erzeugungsprozesses im eigenen Betrieb gewonnen werden. Hierzu gehören auch Erzeugnisse der ersten Stufe der Be- und Verarbeitung und zugekaufte Waren, die als Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe im Erzeugungsprozess verwendet werden.
- Hilfsstoffe (s Rn 144a) sind Waren, die als nicht wesentlicher Bestandteil in die eigenen Erzeugnisse eingehen.
- Betriebsstoffe (s Rn 144a) sind Waren, die im Erzeugungsprozess verwendet werden.
- Rohstoffe (s Rn 144b) sind Waren, die iRd Erzeugungsprozesses weiterkultiviert werden (zB Jungtiere, Saatgut oder Jungpflanzen).
Als fremde Erzeugnisse gelten alle zur Weiterverarbeitung zugekauften Erzeugnisse, Produkte oder Handelswaren, die nicht im luf Erzeugungsprozess des eigenen Betriebs verwendet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um betriebstypische bzw -untypische Erzeugnisse, Handelsware zur Vervollständigung einer für die Art des Erzeugungsbetriebs üblichen Produktpalette oder andere Waren aller Art handelt.
Werden zugekaufte Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe weiterveräußert, gelten diese im Zeitpunkt der Veräußerung als fremde Erzeugnisse. Dies gilt unabhängig davon, ob die Veräußerung gelegentlich (zB Verkauf von Diesel iRd Nachbarschaftshilfe) oder laufend (zB Verkauf von Blumenerde) erfolgt. Die hieraus erzielten Umsätze sind bei der Abgrenzung entsprechend zu berücksichtigen.
b) Art der zugekauften Erzeugnisse
ba) Die Abgrenzung der fremden Erzeugnisse von anderen (unbeachtlichen) Zukäufen
Rn. 144a
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Um eine zutreffende Abgrenzung der (schädlichen) "fremden Erzeugnisse" von den anderen (unschädlichen) Zukäufen vornehmen zu können, ist es notwendig, sämtliche zugekauften Erzeugnisse je nach dem Grad der Fertigstellung und ihrer Funktion im Betrieb verschiedenen Gruppen zuzuordnen.
Einer ersten Gruppe sind die sog Hilfs- und Betriebsstoffe zuzuordnen (s R 15.5 Abs 5 EStR 2012).
- Betriebsstoffe an sich sind gewerblichen Erzeugnisse und gehen in die eigentliche Urproduktion ein; Betriebsstoffe selbst führen aber zu keinem luf Erzeugnis. Unerheblich ist somit, ob die zugekaufte Ware bereits ein luf Urprodukt im engeren Sinne oder ein gewerbliches Produkt darstellt; hierzu gehören zB Düngemittel, Treibstoff, Heizöl.
- Hilfsstoffe sind Waren, die als nicht wesentlicher Bestandteil in die eigenen Erzeugnisse eingehen, zB Futtermittelzusätze, Siliermittel, Starterkulturen und Lab zur Milchverarbeitung, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Haltevorrichtungen, Blumentöpfe für die eigene Produktion, Substrate, Trauben, Traubenmost, handelsübliche Verpackungsmaterial usw.
Soweit die vorstehend genannten Betriebsmittel ausschließlich zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren eingesetzt werden, können Zukäufe derselben niemals zu einer Gewerblichkeit des Betriebs führen, weil sie nicht als fremde Erzeugnisse iSd der Abgrenzungsregelungen in R 15.5 Abs 5 EStR 2012 gelten.
bb) Zukauf fremder luf Erzeugnisse und deren Weiterkultivierung
Rn. 144b
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Von den Betriebsmitteln zu unterscheiden ist eine zweite Gruppe, nämlich der Zukauf luf Erzeugnisse, die iRd Erzeugungsprozesses im eigenen (luf) Betrieb verwendet werden (R 15.5 Abs 5 S 1–3 EStR 2012). Hierzu gehören beispielsweise Saatgut, Zwiebeln und Knollen, Stecklinge, Jungpflanzen, Wildlinge oder sonstige Halbfertigwaren, Jungtiere für die Weiterzucht oder Mast bis zur Verkaufsreife sowie Tiere, die zur Aufzucht oder zum anderweitigen Einsatz im Betrieb mindestens drei Monate im Betrieb verweilen (s Rn 19b), die im Betrieb iRd Urproduktion noch be- oder verarbeitet werden, somit also durch die im Betrieb stattfindende Weiterkultur regelmäßig noch eine andere Marktgängigkeit erlangen (BFH v 27.04.1955, BStBl III 1955, 224).
Von einer Urproduktion kann auch dann noch ausgegangen werden, wenn zB ein Gärtner an sich fertige Erzeugnisse (Grünpflanzen) zukauft und sie in mehreren Monaten auf die sog Hydrokultur umstellt. Gleiches soll gelten, wenn Azaleen mit einer Gesamtkulturzeit von 18–20 Monaten innerhalb einer rund vierwöchigen Kulturdauer im Gewächshaus des Gärtners zum Erblühen gebracht werden, während andererseits bei Eriken mit einer Gesamtkulturdauer von 24–30 Monaten ein gleichlanger Verbleib beim Gärtner aus nicht recht nachvollziehbaren Gründen nicht ausreichen soll, um diese zu dessen Eigenerzeugnis werden zu lassen (BFH v 07.12.1967, HFR 1968, 239). Wird durch die (Weiter-)Kultur eine andere Marktgängigkeit erlangt, werden die kultivierten Pflanzen letztendlich zu eigenen luf Erzeugnissen und sind demzufolge gleichermaßen wie die zugekauften Betriebsmittel nicht den (schädlichen) Zukäufen von fremden Erzeugnissen iSd R 15.5 Abs 5...