Josef Mitterpleininger, Dipl.-Finw. (FH) Sebastian Gruber
Rn. 291
Stand: EL 130 – ET: 09/2018
Besteht eine tatsächliche Ungewissheit darüber, ob die Voraussetzungen für die Erhebung einer Steuer eingetreten sind, kann diese insoweit nach § 165 Abs 1 S 1 AO vorläufig festgesetzt werden. Eine die vorläufige Steuerfestsetzung rechtfertigende Tatsache ist gegeben, wenn bestimmte, zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung vorhandene Anzeichen auf das Vorliegen einer Liebhaberei hindeuten, wegen fehlenden Tatsachenmaterials (wozu auch Dauer u Umfang der Verlusterzielung gehören können) eine endgültige Ergebnisprognose durch das FA aber (noch) nicht erlauben (BFH v 25.10.1989, BStBl II 1990, 278; BFH v 03.07.1998, BStBl II 1998, 702; BFH v 03.05.2000, BFH/NV 2000, 1075). Kann danach eine endgültige Entscheidung im jeweiligen Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch nicht getroffen werden, weil neben Merkmalen, die für die Annahme einer Liebhaberei sprechen, auch solche festgestellt wurden bzw vorgetragen werden, die eine Gewinnerzielungsabsicht erkennen lassen, wird die jeweilige Steuerfestsetzung sinnvollerweise vorläufig ergehen.
Fraglich kann in diesem Zusammenhang nur sein, ob die geltend gemachten Verluste vorläufig anzuerkennen o vorläufig unberücksichtigt zu lassen sind. Sprechen nahezu sämtliche Merkmale gegen die Gewinnerzielungsabsicht, bringt der StPfl gleichwohl aber vor, dass eine (geplante) künftige betriebliche Änderung der Bewirtschaftungsform eine "Wende zum Besseren" mit sich bringe u scheint diese Einlassung nicht völlig abwegig, wird gegen eine vorläufige Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Verluste durch das FA wenig einzuwenden sein, während für den Fall, dass eine Gewinnerzielungsabsicht nach dem Stand der Sachverhaltsaufklärung zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung nicht ausgeschlossen werden kann, die Verluste vorläufig bei der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen sind (BFH v 27.11.2008, HFR 2009, 771).
Bei einer Veranlagung nach § 165 Abs 1 AO kann das FA nachrangige Ermittlungen u Nachprüfungen zurückstellen, solange offen ist, ob ihnen bei der Steuerfestsetzung überhaupt Bedeutung zukommt; in diesem Rahmen kann das FA auch nachrangige Fehlbeurteilungen des StPfl vorläufig hinnehmen, unabhängig davon, ob die betreffenden Besteuerungsgrundlagen mit Ungewissheiten behaftet sind o nicht (BFH v 27.11.1996, BStBl II 1997, 791).
Die Entscheidung, nach welchen Vorschriften der Gewinn des luf Betriebs zu ermitteln ist, hat indes Vorrang gegenüber der Frage, ob der Betrieb mit Gewinnerzielungsabsicht unterhalten wird, denn darüber muss Klarheit bestehen, bevor über die Frage der Gewinnerzielungsabsicht zu entscheiden ist (BFH v 17.03.2010, BFH/NV 2010, 1446).
Solange die Ungewissheit iSd § 165 AO fortbesteht, tritt eine Festsetzungs- o Feststellungsverjährung nicht ein. Diese Ablaufhemmung besteht allerdings nicht unbegrenzt fort; sie endet vielmehr mit Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit, auf der die Vorläufigkeit beruht, entfallen ist u das FA davon Kenntnis erlangt (§ 171 Abs 8 S 1 AO). Beendet danach der StPfl seine verlustbringende Tätigkeit (durch Betriebsaufgabe o -veräußerung) u erlangt das FA hiervon Kenntnis, beginnt ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung die einjährige Frist zum Erlass der endgültigen Bescheide.
Handelt das FA nicht innerhalb dieser Einjahresfrist, ist es später an einer Korrektur der nach § 165 AO vorläufigen Bescheide gehindert (BFH v 04.09.2008, BStBl II 2009, 335).