1. Vorweggenommene Erbfolge, Erbfall eines Alleinerben
Rn. 230
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Wird zu Lebzeiten in vorweggenommener Erbfolge ein (bislang selbst bewirtschafteter, verpachteter oder im Wege des Nießbrauchs zur Nutzung überlassener) Betrieb im Ganzen oder auch nur ein Teilbetrieb oder ein Anteil am Betrieb unentgeltlich übertragen, so liegt weder eine stpfl Betriebs- oder Teilbetriebsveräußerung noch eine Betriebs- oder Teilbetriebsaufgabe vor, denn gem § 6 Abs 3 EStG sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die WG mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben (zwingend die Buchwerte); an diese Buchwerte ist der jeweilige Rechtsnachfolger gebunden (§ 6 Abs 3 S 3 EStG). Der Rechtsnachfolger tritt in die betriebsbezogene Rechtsstellung des übergebenden Rechtsvorgängers vollständig ein, auch in die noch unentwickelten betriebsbezogenen Rechtspositionen des Rechtsvorgängers, soweit diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Wertansätzen der übergegangenen Wirtschaftsgüter stehen (FH v 27.05.2020, III R 17/19, BStBl II 2021, 748 Rz 22). Eine unentgeltliche Betriebsübertragung iSd § 6 Abs 3 EStG ist aber schon allein deswegen gegeben, wenn keine Gegenleistung festzustellen ist, sondern setzt voraus, dass der Übertragende beabsichtigt, den Übernehmer im Sinne einer Schenkung zu bereichern. Die Übernahme von Verbindlichkeiten allein führt noch nicht zur Entgeltlichkeit; eine Betriebsübertragung unter Familienangehörigen kann daher auch dann unentgeltlich sein, wenn der Erwerber neben den Aktiva des Betriebs die regelmäßig ebenfalls vorhandenen Passiva des Betriebs (Betriebsschulden) übernimmt; dies gilt selbst dann, wenn das Eigenkapital im Zeitpunkt der Übertragung negativ ist (BFH v 24.08.1972, VIII R 36,66, BStBl II 1073, 111). Wegen der Übernahme privater Schulden des Übergebers s Rn 237.
Auch eine Rücklage nach § 6b EStG bzw der Ansatz einer fiktiven BA nach § 6c EStG geht auf den Rechtsnachfolger über (BFH v 22.11.2018, BFH/NV 2019, 324; ein Rückbehalt vorhandener Rücklagen nach § 6b EStG durch den Übergeber in Anlehnung an R 6b.2 Abs 10 EStR 2012 kommt nicht in Betracht). Dies gilt entsprechend auch für einen IAB nach § 7g Abs 1 EStG (BMF v 15.06.2022, BStBl I2022, 945 Rz 18), sofern der Betriebsübernehmer den erhaltenen Betrieb nicht verpachtet oder hierfür zulässig zu einer Gewinnermittlung gem § 13a EStG übergeht, weil in beiden Fällen einer gebildeter IAB nicht fortgeführt werden kann.
Rn. 231
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Unentgeltlich ist die Überlassung auch, wenn zB im Zuge einer Auflösung einer Familiengesellschaft der ausscheidende Gesellschafter seinen (bislang regelmäßig der PersGes nur zu Nutzung überlassenen) luf Betrieb dem anderen Gesellschafter (Kind) überträgt.
Rn. 232
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Auch die unentgeltliche Aufnahme eines Angehörigen in ein Einzelunternehmen bzw die Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils führt zu keiner Aufdeckung stiller Reserven, sofern eine natürliche Person aufgenommen bzw an eine solche der Teil eines Mitunternehmeranteils übertragen wird (§ 6 Abs 3 S 2 EStG und BMF v 03.03.2005, BStBl I 2005, 458); ausführlich dazu s § 6 EStG Rn 1476ff (Müller/Dorn). Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, wenn der bisherige Betriebsinhaber WG nicht (anteilig) mit überträgt, diese aber weiterhin zum BV derselben Mitunternehmerschaft gehören, sofern der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil nicht innerhalb von fünf Jahren veräußert oder aufgibt.
Rn. 233
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Eine unentgeltliche Übertragung iSd § 6 Abs 3 EStG ist nur gegeben, wenn (zumindest das wirtschaftliche) Eigentum an allen funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang und unter Aufrechterhaltung des betrieblichen Organismus auf einen Übernehmer übertragen wird (BMF v 03.03.2005, BStBl I 2005, 458).
Funktional wesentlich sind alle eigenen WG, die im Zeitpunkt der Übertragung des Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils der übertragenen Sachgesamtheit das Gepräge geben und die BV des betroffenen Betriebsinhabers bzw Mitunternehmers sind (im Einzelnen s Rn 31ff); bei Mitunternehmerschaften ist auch das zugehörige Sonder-BV des betroffenen Mitunternehmers zu berücksichtigen.
Funktional nicht wesentliche WG, in denen erhebliche stille Reserven ruhen, sind dagegen keine wesentlichen Betriebsgrundlagen iSd § 6 Abs 3 EStG. Während also bei einer Betriebsveräußerung der Rückbehalt zB eines (erhebliche stille Reserven enthaltenden) Mietwohnhauses für eine Tarifbegünstigung nach § 34 EStG schädlich ist, ist er bei einer unentgeltlichen (Teil-)Betriebsübertragung ohne Belang, weil es sich bei dem Mietwohnhaus um funktional nicht wesentliches BV handelt.
Bei der Frage, ob alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen wurden, hat nach Auffassung des BFH (Urt des BFH v 02.08.2012, BFH/NV 2012, 2053; BFH v 09.12.2014, BFH/NV 2015, 415) eine stichtagsbezogene Betrachtung zu erfolgen; die Grundsätze der sog Gesamtp...