Rn. 130
Stand: EL 172 – ET: 04/2024
Schon aus § 22 Nr 2 EStG iVm § 23 Abs 1 Nr 1 EStG bzw § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG folgt im Umkehrschluss, dass nicht jede Veräußerung durch Private zu einer gewerblichen Tätigkeit führt.
Die Zuordnung von Veräußerungsgewinnen zur Überschusseinkunftsart private Vermögensverwaltung (gesetzlich nicht definiert, als Typusbegriff nur mit Regelbeispielen in § 14 S 3 AO belegt) oder zur Gewinneinkunftsart gewerblicher Handel (dem Bild entsprechend, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist) hat bedeutsame steuerliche Folgen:
Erfolgt eine private Veräußerung "anderer WG" gemäß § 22 Nr 2 iVm § 23 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG innerhalb Jahresfrist, bleibt der Gewinn steuerfrei; nur soweit Privatpersonen durch eine entgeltliche Nutzungsüberlassung des WG Einkünfte erzielen, verlängert sich die sog Spekulationsfrist auf zehn Jahre (s § 23 Abs 1 S 1 Nr 2 S 4 EStG).
Eine 10-jährige Spekulationsfrist gilt für private Veräußerungen von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten gemäß § 22 Nr 2 iVm § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG.
- Dagegen unterliegen beim gewerblichen Handel realisierte Wertzuwächse bzw -verluste der ESt und ggf, bei nach außen werbender Tätigkeit (s Rn 3b), auch der GewSt (hierzu insbesondere s Rn 131a, 135 ff, 136 zum gewerblichen Grundstückshandel).
Zur Grenzziehung zwischen den Einkunftsarten ist eine zweistufige Abgrenzungsprüfung wie folgt vorzunehmen:
(1) |
Prüfung auf das gleichzeitige und vollständige Vorliegen der vier positiven Merkmale gewerblicher Tätigkeit gemäß § 15 Abs 2 EStG (im Einzelnen s Rn 118–126b) |
(2) |
Prüfung, ob der Rahmen des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der privaten (idR nur auf eigene Rechnung BFH vom 02.09.2008, BFH/NV 2008, 2012; s Rn 127a"Vermögensverwalter-Subunternehmer" und s Rn 128d) Vermögensverwaltung (iS eines Negativmerkmals) überschritten wurde. |
zu (2): Eine Grenzüberschreitung liegt vor, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung in wertender Betrachtung von Beginn an die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch kurzfristige Umschichtung (Handel) statt einer Nutzung iS einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend von Beginn an in den Vordergrund tritt: BFH vom 17.01.1973, BStBl II 1973, 260; nachfolgend GrS BFH vom 10.12.2001, BStBl II 2002, 291 mit Bezug auf GrS BFH vom 03.07.1995, BStBl II 1995, 617, Orientierungssatz 3; BFH vom 28.04.2005, BStBl II 2005, 606; BMF BStBl I 2004, 434. Leisner-Egensperger, FR 2007, 813, 816 hält eine Unterscheidung zwischen den Erwerbsmotiven Fruchtziehung und Umschichtung für "längst überholt", weil der StPfl zB bei Immobilien den Nutzen von Mietzins und Veräußerungsgewinn wirtschaftlich zusammen sähe, dh sie einander kompensieren würden. Das mag aus Sicht des StPfl so sein, angesichts der Notwendigkeit einer Zuordnung von Einkünften zu einer Einkunftsart (§ 15 EStG oder §§ 20, 22, 23 EStG) kommt es aber schon darauf an, welches Erwerbsmotiv"im Vordergrund" steht, wobei dies aber wegen der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung anhand objektiv nachprüfbarer Kriterien, die zudem bei einer von der Vermögensverwaltung abweichenden Zuordnung zum Gewerbebetrieb durch das FA vollständig den Katalog des § 15 Abs 2 EStG erfüllen müssen, entschieden werden können muss.
Die typologische Betrachtungsweise hat zwangsläufig zu einer bereichsspezifischen Rspr geführt, weil es schwierig bis unlösbar ist, das "typische Gesamtbild des Gewerbetreibenden", der die Grenze der Vermögensverwaltung überschritten hat, für alle WG nach einheitlichen Maßstäben wirtschaftsgutübergreifend zu beurteilen (s BFH vom 09.07.2019, BStBl II 2021, 418 Rz 32; Hartrott, FR 2008, 1095, 1096; Fischer, DStR 2009, 398, 399).
Wegen einer Übersicht über die Beurteilung des Vorliegens einer Vermögensverwaltung oder doch eines Gewerbebetriebs bei verschiedenen Fallgruppen s Rn 135–136d, für eine neue Fallgruppe wird man ggf auf die strukturelle Vergleichbarkeit mit anderen Fallgruppen abstellen müssen. Der Erwerb von Einheiten einer virtuellen Kryptowährung durch sog Mining im Proof-of-Stake-Verfahren war zB eine Tätigkeit, für die sich zunächst noch keine prägende Verkehrsanschauung herausbilden konnte (so Sanning, FR 2022, 244, 1.4.2.), inzwischen wird das Verfahren aber als nicht der privaten Vermögensverwaltung zugehörend angesehen, so BMF vom 06.05.2022, BStBl I 2022, 668 Rz 39. Hornung/Sperling, DStR 2023, 2142 kommen aber betreffend Non-Fungible Token (dazu s Rn 135b) noch immer zu dem Schluss, dass sich hierzu eine Verkehrsauffassung, anhand derer sich das Bild des gewerblichen Händlers von der privaten Vermögensverwaltung abgrenzen ließe, noch nicht herausgebildet habe.
Dem Gesetzgeber ist eine Definition der Rechtsbegriffe "Vermögensverwaltung" und "Gewerblichkeit" in Abgrenzung zueinander im EStG bisher nicht gelungen; die in § 14 REITG mit Wirkung ab 2007 gegebene Definition des Immobilienhandels ist für die Abgre...