Rn. 35
Stand: EL 179 – ET: 02/2025
Die Grundkonzeption des § 15a Abs 1 EStG, Verluste nur bis zum Stand null des für Verluste haftenden Kapitals oder der höheren Haftsumme zum Ausgleich oder Abzug zuzulassen (zur Abgrenzung der iSd § 15a Abs 1 EStG festen Pflichtkapitalkonto anerkannten variablen Kapitalkonten von den nicht § 15a-wirksamen Konten (FK-Charakter bzw jederzeit entnahmefähig; s Rn 6a), könnte ohne § 15a Abs 3 S 1 EStG theoretisch unterlaufen werden, indem zum Erhalt ausgleichsfähiger Verluste durch nur vorübergehend höhere Einlagen (oder – s Rn 40 betreffend § 15a Abs 3 S 3 EStG – nur vorübergehende Erhöhungen der Haftsummen) vor dem Bilanzstichtag und anschließende Entnahmen (oder Haftungsminderungen) beliebige Verlustverrechnungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Nach der Rechtsfortbildung durch BFH v 10.11.2022, BStBl II 2023, 332, ist zu beachten, dass eine wirksame Erhöhung des Verlustausgleichsvolumens iSd § 15a Abs 1 EStG durch eine freiwillige Einlage des Kommanditisten auf ein variables Kapitalkonto nur dann steuerlich anzuerkennen ist, wenn
(1) |
der Gesellschaftsvertrag eine solche Einlage zulässt und |
(2) |
diese über die vereinbarte Einlage hinausgeht sowie freiwillig und gesellschaftsrechtlich zulässig ist. |
Bei den durch § 15a EStG ursprünglich – jetzt s vorrangig § 15b EStG, s Rn 5b – angesprochenen Publikums-Verlustzuweisungsgesellschaften ist allerdings kaum vorstellbar, dass die Geschäftsführung den vielzähligen Kommanditisten kurzfristig weitere freiwillige, im Beitrittsschein nicht vereinbarte Einlagen vorschlägt, um den Kommanditisten saldierungsfähige Verluste zu vermitteln, mit der Zusage, diese alsbald – wenn vordefinierte Bedingungen erfüllt sind – zurückzuerstatten; glA Koch, DStR 1984, 543).
Beispiel für die Grundkonzeption des § 15a Abs 1 EStG:
Jahr 01
|
TEUR |
Kapitalkonto 01.01.01 (Haftsumme 100 TEUR; vereinbarte Einlage 300 TEUR) |
100 |
Einzahlung auf vereinbarte Einlage im Dezember 01 |
+ 200 |
Verlustanteil Jahr 01 |
./. 300 |
Kapitalkonto 31.12.01 |
0 |
ausgleichsfähiger Verlustanteil |
300 |
verrechenbarer Verlustanteil |
0 |
Jahr 02
Kapitalkonto 01.01.02 |
0 |
Entnahme Januar 02 |
./. 200 |
Ergebnisanteil Jahr 02 |
0 |
Kapitalkonto 31.12.02 |
./. 200 |
"Einlageminderung" |
200 |
entstehende Haftung gem § 172 Abs 4 S 2 Alt 2 HGB nF gegenüber Gläubigern in Höhe maximal der Haftsumme |
100 |
Gewinnzurechnung (Einlageminderung ./. dadurch entstehende Haftung) |
100 |
gleichzeitig im Entnahme- oder in Folgejahren verrechenbarer Verlustanteil (Ergebnisanteil ./. Gewinnzurechnung): § 15 Abs 3 S 4 EStG iVm BFH v 30.08.2001, BStBl II 2002, 458 |
100 |
Die "Einlageminderung" iH des entstandenen negativen Kapitalkontos von TEUR 200 führt nur iH des die wiederauflebende Haftung – auch nach § 172 Abs 4 S 2 Alt 2 HGB nF – übersteigenden Betrages zu einer Gewinnzurechnung (s auch Pyszka, DStR 1995, 594). Insoweit wird der im Vorjahr ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust iHv TEUR 300 in einen nur verrechenbaren Verlust umgepolt (§ 15a Abs 3 S 4 EStG). Die bis zur Höhe der vereinbarten Einlage weiter bestehende Haftung gegenüber den Mitgesellschaftern im Innenverhältnis (dazu s OLG Düsseldorf v 18.07.2013, DB 2013, 2379) ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 15a EStG unbeachtlich. Das Bsp entspricht der Grundkonzeption des § 15a Abs 1 EStG, wonach auch über den Kapitaleinsatz hinausgehende Verluste ausgleichs- oder abzugsfähig sein sollen, soweit der Kommanditist für das entstehende negative Kapitalkonto den Gläubigern gegenüber (Außenverhältnis) haftet. Für den Beispielsfall heißt dies:
|
TEUR |
Verlorene, bereits eingezahlte Haftsumme = Kapitalkonto |
100 |
Wiederaufgelebte Haftung gem § 172 Abs 4 HGB = ausgleichs-/abzugsfähig über den Kapitaleinsatz hinaus |
100 |
Gewinnzurechnung |
100 |
Rn. 36
Stand: EL 179 – ET: 02/2025
In Höhe der nach § 172 Abs 4 S 2 Alt 2 HGB nF wieder aufgelebten Haftung bleibt der Verlustausgleich/-abzug somit erhalten. Dies gilt gleichermaßen für das Bsp bei Biergans, DStR 1981, 3, 7 und ist entgegen dessen Ansicht vom Gesetzgeber so gewollt (s FG BBg v 23.09.2009, EFG 2010, 54; auch s Rn 38). Insofern ist der Kommanditist im Beispielsfall über den primär beabsichtigten Zweck des § 15a Abs 3 S 1 EStG (deckungsgleiche Umpolung) hinaus steuerlich um TEUR 100 besser gestellt gegenüber einem Kommanditisten, bei dem von Anfang an nur eine um die Entnahme geminderte Einlage bestanden hätte (Uelner/Dankmeyer, DStZ 1981, 12, 20; Bordewin, FR 1982, 487).
Beachte: § 172 Abs 4 HGB enthält keinen neben § 171 Abs 1 HGB tretenden eigenen Haftungstatbestand, die unmittelbare Außenhaftung des Kommanditisten ist vielmehr maximal auf die im HR eingetragene Haftsumme beschränkt; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die vereinbarte Einlage geleistet ist.
Hinsichtlich des Wiederauflebens der Haftung des Kommanditisten im Außenverhältnis (§ 171 Abs 1 HGB) ist diese stets auf den Betrag der im HR eingetragenen Haftung begrenzt, darüber hinausgehende Entnahmen führen also zu einer Gewinnzurechnung. In einem solchem Zusammenhang wäre deshalb empfehlensw...