1. Das Rechtsstaatsprinzip
a) Das Gebot der Folgerichtigkeit
aa) Allgemeines
Rn. 11
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Ausfluss von Art 3 Abs 1 GG und des Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 GG) ist es, dass der Gesetzgeber gesetzliche Regelungen widerspruchsfrei auszugestalten hat (st Rspr des BVerfG, zB BVerfGE 116, 164).
ab) Wertungen zu § 2b EStG
Rn. 12
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
BFH v 02.08.2007 IX B 92/07, BFH/NV 2007,2270 hatte in einem AdV-Verfahren ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2b EStG aF ua wegen fehlender Folgerichtigkeit geäußert. Aber s Rn 18 und BFH v 22.9.2016 IV R 2/13, BStBl II 2017, 165.
ac) Keine automatische Übertragbarkeit auf § 15b EStG
Rn. 13
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Diese Wertung lässt sich nicht automatisch auf die Nachfolgevorschrift des § 15b EStG übertragen (differenzierend Herbst, FR 2008, 1003; aA wohl Kohlhaas, DStR 2008, 480), da diese nicht wortgleich ist. Vielmehr ist nach hier vertretener Auffassung jede Vorschrift für sich zu überprüfen.
ad) Kein Wertungswiderspruch zwischen IAB und § 15b EStG
Rn. 14
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Das FG BdW v 07.07.2011, 3 K 4368/09, EFG 2011, 1897, Rev, Az des BFH IV R 40/11, sieht allerdings darin keinen Widerspruch, dass der Gesetzgeber einerseits zB es zulässt, dass durch den IAB ein Verlust sich sogar erhöht (§ 7g Abs 1 S 3 EStG), andererseits aber bei § 15b EStG dieser sich auf spätere VZ verlagert. ME sind die unterschiedlichen Rechtsfolgen durch die verschiedenartigen Normzwecke veranlasst (ähnlich FG BdW aaO).
ae) § 15b EStG macht Steuerbegünstigungsvorschriften nicht faktisch gegenstandslos
Rn. 15
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Das FG Sachsen v 05.05.2010, 8 K 1853/09, DStRE 2012, 2053, rkr würde einen solchen Verstoß nur in Erwägung ziehen, wenn Steuerbegünstigungsvorschriften wie zB §§ 7g, 7h EStG durch § 15b EStG faktisch gegenstandslos würden. Dies sei aber nicht der Fall, mE zutreffend. Dieselbe Wertung muss für § 7b EStG nF gelten.
af) Ergebnis
Rn. 16
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Ein Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit ist somit nicht erkennbar (glA Schuska, DStR 2014, 825, Lindberg in Frotscher/Geurts, § 15b EStG Rz 10a; aA Naujok, DStR 2007, 1601).
b) Das Bestimmtheitsgebot
ba) Allgemeines
Rn. 17
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Der Bürger muss aufgrund des Rechtsstaatsprinzips klar erkennen können, welche Rechtsfolgen sich aus seinem Verhalten ergeben, dh, bei Gesetzen muss eine hinreichend klare Formulierung und Bestimmung der Rechtsfolgen vorhanden sein. Dies entspricht der st Rspr des BVerfG (zB NJW 2007, 2464).
bb) Wertungen zu § 2b EStG aF
Rn. 18
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Gegen § 2b EStG aF bestanden unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots erhebliche Bedenken. BFH v 22.09.2016 IV R 2/13, BStBl II 2017, 165 bejaht (dh anders der AdV-Beschluss BFH v 02.08.2007 IX B 92/07, BFH/NV 2007, 2270) aber die Verfassungsmäßigkeit des § 2b EStG, wenn den Anlegern auf Grund einer im Werbe- bzw Verkaufsprospekt ausgewiesenen fiktiven gesellschafterbezogenen Steuerberechnung in Aussicht gestellt worden ist, dass sie bereits im ersten Jahr der Beteiligung auf Grund einer Verlustzuweisung einen Steuervorteil mindestens in Höhe des eingesetzten Kapitals erhalten.
bc) Aussage zu § 15b EStG
Rn. 19
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Demgegenüber ist jedoch § 15b EStG bestimmt genug, insb enthält die Vorschrift eine Legaldefinition des "Steuerstundungsmodells" (§ 15b Abs 2 EStG), eine klar definierte 10 %-Verlustquote (§ 15b Abs 3 EStG) und ist daher Auslegung zugänglich (BFH v 06.02.2014, IV R 59/10, BStBl II 2014, 465; BFH v 17.01.2017, VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700; BFH v 28.06.2017, VIII R 57/14, BStBl II 2017, 1144für § 20 Abs 2b S 2 EStG; BFH v 07.05.2019, VIII R 29/15, BStBl II 2019, 751; Schuska, DStR 2014, 825; Lindberg in Frotscher/Geurts, § 15b EStG Rz 9). Dass § 15b EStG im Wesentlichen schärfer als § 2b EStG aF wirkt, ist keine Frage des Bestimmtheitsgebots, sondern liegt innerhalb des weiten gesetzgeberischen Spielraums.
Rn. 20
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Daran ändert auch nichts, dass an der zeitlichen Anwendungsvorschrift (s Rn 45ff) in § 52 Abs 33a S 3 EStG aF Fall 2 ("Reinvestitionen von Erlösen in neue Projekte") Kritik zu üben ist (zweifelnd Naujok, BB 2007, 1365; für Verfassungswidrigkeit Bock/Raatz, DStR 2008, 1407; Hartrott/Raster, BB 2011, 343). Ausführlich dazu s Rn 60ff.
Rn. 21
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Zur Auslegung des § 15b Abs 3a EStG aF in Hinblick auf das Wort "insbesondere" in diesem Zusammenhang s Rn 177f.
c) Das Rückwirkungsverbot (§ 52 Abs 33a EStG aF = § 52 Abs 25 EStG)
ca) Echte Rückwirkung
Rn. 22
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
§ 15b EStG iVm § 52 Abs 33a EStG aF enthält keine echte Rückwirkung (FG BdW v 05.05.2010, 8 K 1853/09, rkr; FG BdW v 07.07.2011, 3 K 4368/09, EFG 2011, 1897, Rev, Az des BFH IV R 40/11).
cb) Unechte Rückwirkung
Rn. 23
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Fleischmann/Meyer-Scharenberg kritisieren mE zu Recht die Wahl des Datums 10.11.2005 für das rückwirkende (Beschluss des BT: 15.12.2005, Zustimmung BR: 21.12.2005) In-Kraft-Treten des § 15b EStG (s § 52 Abs 33a EStG) als willkürlich. Ob man daraus gleich einen Verfassungsverstoß ableiten kann, dürfte allerdings zweifelhaft sein. Die Gesetzesbegründung meint dazu (BT-Drucks 16/107, 12), dieser Stichtag sei "im Hinblick auf die Vermeidung eines sog negativen Ankündigungseffekts" gerechtfertigt und erforderlich. Dies allein kann jedoch keine Rechtfertigung sein.
Rn. 24
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/1...