Rn. 1056
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Die Betriebsaufgabe verlangt eine endgültige Einstellung der betrieblichen Betätigung. Erfolgt diese nicht und ist sie auch nicht beabsichtigt, kann eine Betriebsunterbrechung vorliegen. Sie setzt voraus, dass die originär betriebliche (gewerbliche) Tätigkeit vorübergehend eingestellt wird und die Möglichkeit der Fortführung des wirtschaftlich identischen Betriebs (BFH v 07.04.2009, III B 54/07, BFH/NV 2009, 1620: "im Wesentlichen identitätswahrend") wahrscheinlich und beabsichtigt ist (BFH v 17.10.1991, IV R 97/89, BStBl II 1992, 392; BFH v 27.02.1985, I R 235/80, BStBl II 1985, 456; FG Münster v 13.06.2014, 4 K 4560/11, EFG 2014, 1668; Cornelius, DStZ 2010, 915; Olfen, Stbg 2007, 106). Die Betriebsunterbrechung lässt den Fortbestand des Betriebs steuerlich grundsätzlich unberührt (BFH v 07.04.2009, III B 54/07, BFH/NV 2009, 1620; BFH v 28.09.1995, IV R 39/94, BStBl II 1996, 276).
Literatur und Rspr unterscheiden zwischen der Betriebsunterbrechung iwS und ieS (BFH v 28.09.1995, IV R 39/94, BStBl II 1996, 276). Betriebsunterbrechung iwS ist Oberbegriff für die Fälle der Betriebsverpachtung (BFH v 28.09.1995, IV R 39/94, BStBl II 1996, 276; dazu s Rn 1074), der Betriebsstilllegung und der Betriebsunterbrechung ieS (dazu s Rn 1056) sowie der Betriebsverlegung (s Rn 1061).
Rn. 1057
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Der Unterschied zwischen Betriebsstilllegung und Betriebsunterbrechung ist mE lediglich ein gradueller. Bei der Betriebsunterbrechung ist die Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeit bereits konkret ins Auge gefasst, uU ist die Unterbrechung, zB aufgrund einer betrieblichen Störung (Feuer, Diebstahl), unbeabsichtigt und endet, sobald die Störung behoben ist, oder saisonal bedingt und damit wiederkehrend (Eisdiele, Außen-Eislaufbahn) (ähnlich BFH v 28.09.1995, IV R 39/94, BStBl II 1996, 276, wonach Betriebsstilllegung lediglich die weniger treffende Bezeichnung für eine Betriebsunterbrechung ieS ist). Steuerliche Unterschiede gibt es mE nur hinsichtlich der Anforderungen, die an das Vorliegen der Fortführungsabsicht bestehen (kritisch zu diesem subjektiven Merkmal Graw in K/S/M, § 16 EStG H7 (Dezember 2017)). Als Betriebsstilllegung kann auch die Verlegung des Betriebs oder eine Strukturänderung (dazu s Rn 1066) bezeichnet werden (Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 180 (39. Aufl)).
Rn. 1058
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Die frühere Rspr verlangte, dass die Fortführung des Betriebs in einem angemessenen Zeitraum erfolgte (BFH v 03.10.1984, I R 116/81, BStBl II 1985, 131). Systematisch zutreffend hat sich mittlerweile aber die Auffassung durchgesetzt, dass es auf diese zeitliche Komponente nicht ankommen kann, wenn die Fortführungsmöglichkeit weiterhin besteht und beabsichtigt ist. Insoweit unterscheidet sich die Betriebsverpachtung (s Rn 1074), die als Betriebsunterbrechung iwS angesehen wird, von der Betriebsunterbrechung ieS nicht. Auch die Betriebsverpachtung kann lange dauern und es genügt, dass der verpachtete Betrieb vom StPfl oder auch einem Rechtsnachfolger fortgeführt werden kann, eine Höchstpachtdauer gibt es nicht. Daher kann auch die Betriebsunterbrechung grundsätzlich zeitlich unbegrenzt erfolgen (Graw in K/S/M, § 16 EStG H7 (Dezember 2017); Cornelius, DStZ 2010, 915), wobei sich bei Betrieben, deren Geschäftsmodell einem Strukturwandel unterliegt, die Frage nach der wirtschaftlichen Identität umso dringender stellt, je länger die Betriebsunterbrechung andauert.
Die BFH lehnt in Verpachtungsfällen ebenso wie in Fällen der Betriebsunterbrechung ieS die Festlegung einer zeitlichen Höchstgrenze mittlerweile ausdrücklich ab und behandelt insoweit beide Konstellationen gleich, da sie zur selben Fallgruppe gehören (BFH v 19.03.2009, IV R 45/06, BStBl II 2009, 902; BFH v 24.03.2006, VIII B 98/01 (NV), BFH/NV 2006, 1287; BFH v 22.03.2005, IV B 159/03 (NV), BFH/NV 2005, 1295). Es ist immer auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (Cornelius, DStZ 2010, 915; BFH v 24.03.2006, VIII B 98/01 (NV), BFH/NV 2006, 1287). In BFH v 24.03.2006, VIII B 98/01 (NV), BFH/NV 2006, 1287; BFH v 19.02.2004, III R 1/03 (NV), BFH/NV 2004, 1231 deutet das Gericht allerdings Zweifel an, ob noch von einem ruhenden (unterbrochenen) Gewerbebetrieb ausgegangen werden kann, wenn der Unterbrechungszeitraum mehrere Generationen umspannt. Auch wenn es konkret um eine Betriebsverpachtung, nicht um eine Betriebsunterbrechung ieS ging, kann in solchen extremen Konstellationen zum einen die wirtschaftliche Identität des unterbrochenen mit der des wiederaufzunehmenden Betriebs fraglich sein. Außerdem stellt sich, jedenfalls bei Einzelgewerbetreibenden, die Frage, ob noch plausibel dargelegt werden kann, dass eine zukünftige Generation jedenfalls die bedingte Absicht hat, den aus vorherigen Generationen stammenden, zwischenzeitlich unterbrochenen Betrieb wiederaufzunehmen (kritisch ebenso Paus, FR 2004, 198, der aus Praktikabilitätsgründen eine zeitliche Obergrenze fordert; hierzu auch Cornelius, DStZ 2010, 915).