Rn. 1061
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Auch eine Betriebsverlegung, also die örtliche Verlagerung der Betriebsstätte stellt, jedenfalls sofern beide Standorte im Inland liegen, keine Betriebsaufgabe dar (Stahl, KÖSDI 2006, 15 125). Die Betriebsverlegung wird vielmehr als Unterfall der Betriebsunterbrechung iwS angesehen, so dass im Wesentlichen die gleichen Kriterien heranzuziehen sind (s Rn 1056). Verlegt ein StPfl seinen Betrieb an einen neuen Standort, so kann dies steuerlich als die Aufgabe des bisherigen Betriebs und die Eröffnung eines neuen Betriebs oder als steuerlich irrelevante Betriebsunterbrechung zu beurteilen sein. Ob im Einzelfall eine Betriebsaufgabe mit anschließender Neueröffnung oder aber eine bloße Betriebsverlegung anzunehmen ist, hängt wesentlich davon ab, ob der "stillgelegte" und der "wiederaufgenommene" Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise identisch sind (BFH v 22.01.2015, IV R 10/12, BFH/NV 2015, 678; BFH v 28.06.2001, IV R 23/00, BStBl II 2003, 124; BFH v 03.10.1984, I R 116/81, BStBl II 1985, 131; BFH v 24.06.1976, IV R 200/72, BStBl II 1976, 672). Dies entscheidet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des bisherigen und des "neuen" Betriebs (BFH v 28.06.2001, IV R 23/00, BStBl II 2003, 124; BFH v 24.06.1976, IV R 200/72, BStBl II 1976, 672).
Rn. 1062
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Im Regelfall kommt es darauf an, ob der verlagerte Betrieb seine Tätigkeit mit den bisherigen wesentlichen Betriebsgrundlagen fortsetzt, ohne erhebliche stille Reserven zu realisieren (BFH v 22.01.2015, IV R 10/12, BFH/NV 2015, 678; BFH v 17.03.2010, IV R 41/07, BStBl II 2010, 977). Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs gehören im Allgemeinen die Betriebsräume, der (bisherige) betriebliche Wirkungskreis (Betätigungsfeld und Kundschaft) und auch der Warenbestand (BFH v 24.06.1976, IV R 200/72, BStBl II 1976, 672). Dabei müssen nicht zwingend alle wesentlichen Betriebsgrundlagen mitgenommen werden, sofern die weiterhin genutzten wesentlichen Geschäftsgrundlagen die Fortführung der bisherigen betrieblichen Betätigung ermöglichen (BFH v 09.10.1996, XI R 71/95, BStBl II 1997, 236).
Rn. 1063
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Im Hinblick auf den Warenbestand ist der konkret vorhandene Warenbestand eines Unternehmens dann nicht wesentliche Grundlage des Unternehmens, wenn er, wie dies zB bei einem Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen meist der Fall sein wird, in seiner konkreten Zusammensetzung jederzeit wieder kurzfristig beschaffbar ist, sofern nur das dafür benötigte Kapital zur Verfügung steht. In diesem Fall erscheint nicht der konkret vorhandene Warenbestand, sondern vielmehr das darin gebundene Kapital als wesentliche Betriebsgrundlage. Demgemäß enthält der Warenbestand eines Lebensmitteleinzelhandelsunternehmens im Allgemeinen keine nennenswerten stillen Reserven (BFH v 24.06.1976, IV R 200/72, BStBl II 1976, 672).
Rn. 1064
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Die von der Rspr verlangte Einzelfallbetrachtung führt aber auch dazu, dass gegen die Annahme einer Betriebsverlegung weder die Veräußerung des betrieblich genutzten Grundvermögens noch eine verhältnismäßig große räumliche Entfernung zwischen altem und neuem Betriebsort sprechen müssen (BFH v 28.06.2001, IV R 23/00, BStBl II 2003, 124). Letzteres ist vor allem dann nicht von Bedeutung, wenn der Betrieb (im konkreten Fall ein Viehzuchtbetrieb) nicht von einer Stammkundschaft in räumlicher Nähe abhängig ist (BFH v 28.06.2001, IV R 23/00, BStBl II 2003, 124).
Der Betrieb einer Apotheke wird nicht aufgegeben, wenn diese an einen in geringer räumlicher Entfernung vom ursprünglichen Standort liegenden neuen Standort verlegt wird, und die Apotheke unter neuer Firmierung mit dem Warenbestand und der Krankenhausversorgung der geschlossenen Apotheke fortgeführt wird. Unerheblich ist, wenn die sonstige Geschäftsausstattung in den alten Räumen verbleibt (FG BBg v 11.10.2000, 4 K 327/00, EFG 2001, 129). Die Verlegung des Betriebs eines Bezirkshändlers ist jedenfalls dann keine Betriebsaufgabe oder -veräußerung, wenn der als wesentliche Betriebsgrundlage zu qualifizierende Bezirkshändlervertrag nicht veräußert, sondern mitgenommen wird; auch die Veräußerung der anderen wesentlichen Geschäftsgrundlage (Beraterstamm) hindert insoweit die Betriebsverlegung nicht (FG BBg v 11.10.2000, 4 K 327/00, EFG 2001, 129)
Rn. 1065
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Soweit bei einer Betriebsverlegung stille Reserven realisiert werden, kann deren Übertragung nach §§ 6b, 6c EStG in Betracht kommen (BFH v 28.06.2001, IV R 23/00, BStBl II 2003, 124). Bei Verlagerung ins Ausland s Rn 1000.