Rn. 1592

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Schädlich iS eines rückwirkenden Ansatzes des gemeinen Werts sind nach dem Gesetzeswortlaut die Veräußerung und die Entnahme der vorstehend genannten Einzel-WG (s Rn 1588). Daneben gibt es nach Auffassung der FinVerw diesen gleichgestellte Vorgänge, die ebenfalls die Rechtsfolgen des § 16 Abs 3 S 3 EStG auslösen.

Veräußerung bedeutet grundsätzlich einen Rechtsträgerwechsel, setzt also voraus, dass das Einzel-WG bei der im Einkommensteuerrecht vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise – zumindest anteilig – einem anderen Steuersubjekt zuzuordnen ist und der zugrundeliegende Rechtsvorgang entgeltlich erfolgt (allgemein zum Begriff der Veräußerung s Rn 53f). Die Entnahme umfasst mE, selbst wenn dies in S 3 des § 16 EStG, anders als in S 2, nicht mehr ausdrücklich erwähnt ist, aufgrund des Regelungszusammenhangs auch den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nach § 4 Abs 1 S 3 u 4 EStG. Eine unentgeltliche Übertragung nach § 6 Abs 3 EStG stellt weder eine Entnahme noch eine Veräußerung dar, allerdings ist der Rechtsnachfolger an die Behaltefrist gebunden (Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 552 (39. Aufl)); bei einer Veräußerung durch den Rechtsnachfolger innerhalb der Behaltefrist wirkt dies auf die Realteilung zurück.

 

Rn. 1593

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Nach Auffassung der FinVerw liegt eine Veräußerung "grundsätzlich" auch in folgenden Fällen vor (BMF v 19.12.2018, BStBl I 2019, 6 Tz 26):

  • Einbringung nach §§ 20, 24 UmwStG der im Rahmen der Realteilung erhaltenen WG, und zwar unabhängig vom gewählten Wertansatz (Buchwert, gemeiner Wert, Zwischenwert),
  • Formwechsel nach § 25 UmwStG,
  • Übertragung nach § 6 Abs 5 EStG auf einen Dritten gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.
 

Rn. 1594

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Diese sehr weitgehende Interpretation schränkt der Realteilung nachfolgende Umstrukturierungen unnötig ein, und es darf bezweifelt werden, dass diese Auffassung einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Wie der BFH ausdrücklich festgestellt hat, verfolgt § 16 Abs 3 S 2 EStG den Zweck, Umstrukturierungen von Personenunternehmen zu erleichtern (BFH v 16.03.2017, IV R 31/14, BStBl II 2019, 24). Die betreffenden Vorgänge sollen mit Rücksicht auf die Fortsetzung der unternehmerischen Tätigkeit des Mitunternehmers und die dadurch bestehende Möglichkeit zur Fortführung etwaiger stiller Reserven im neuen BV keiner allein durch den Übertragungsvorgang ausgelösten Ertragsbesteuerung unterliegen. Soweit sich dabei ein Anteil an den stillen Reserven von einem Mitunternehmer auf einen anderen Mitunternehmer verlagert, wird dies vom Gesetz grundsätzlich in Kauf genommen, um die Umstrukturierung zu ermöglichen. In bestimmten ausdrücklich geregelten Fällen wird die Verlagerung stiller Reserven allerdings im Ergebnis nicht ermöglicht. Diese Ausnahmeregeln bringen nach Meinung des BFH abschließend zum Ausdruck, wo eine Beschränkung des Buchwertprivilegs trotz zunächst eingetretener Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen stattfinden soll. Eine weiter gehende teleologische Beschränkung des Buchwertansatzes kommt für derartige Fälle nicht in Betracht (BFH v 30.03.2017, IV R 11/15, BStBl II 2019, 29).

 

Rn. 1595

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Wendet man diese Maßstäbe auf die Frage an, wann eine schädliche Veräußerung vorliegt, kann mE jedenfalls weder die Einbringung zum Buchwert nach §§ 20, 24 UmwStG noch ein entsprechender Formwechsel ernsthaft eine nachträgliche Aufdeckung der stillen Reserven im Rahmen der Realteilungsmitunternehmerschaft auslösen (ebenso Graw in K/S/M, § 16 EStG Rz F90 (Dezember 2017); kritisch auch Rogall/Stangl, FR 2006, 345; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 552 (39. Aufl); ähnlich Kulosa in H/H/R, § 16 EStG Rz 561 (November 2018) unter Hinweis auf die Zwecke des UmwStG). Um Umgehungen zu vermeiden und der Zielsetzung der Behaltefrist zu entsprechen, sind die Rechtsnachfolger jedoch an die Behaltefrist gebunden, so dass eine Veräußerung des Einzel-WG innerhalb der Sperrfrist durch eine Mitunternehmerschaft, in die das WG nach § 24 UmwStG zu Buchwerten eingebracht wurde, auf die Realteilung zurückwirkt (Graw in K/S/M, § 16 EStG Rz F90 (Dezember 2017)).

 

Rn. 1596

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Im Hinblick auf Vorgänge nach § 6 Abs 5 EStG ist zu unterscheiden: soweit es um eine Überführung zwischen (Sonder-)BV eines StPfl geht (§ 6 Abs 5 S 1 u 2 EStG), liegt schon kein Rechtsträgerwechsel und somit begrifflich keine Veräußerung vor (ebenso Schallmoser in Blümich, § 16 EStG Rz 411 (Juli 2019); Kulosa in H/H/R, § 16 EStG Rz 561 (November 2018)). Bei Übertragungen nach § 6 Abs 5 S 3 EStG ist entsprechend der obigen Ausführungen zu §§ 20, 24, 25 UmwStG keine erweiterte Auslegung des § 16 Abs 3 S 3 EStG und eine Bindung des Rechtsnachfolgers an die Behaltefrist vorzugswürdig (ebenso Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 552 (39. Aufl); Graw in K/S/M, § 16 EStG Rz F90 (Dezember 2017)).

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