Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Rn. 360
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Neben dem Vorliegen eines der oben aufgeführten zivilrechtlichen Auflösungsgründe ist eine weitere Voraussetzung für die Realisierung des Auflösungsgewinns/-verlusts, dass die Höhe der Zuteilung und Rückzahlung aus dem Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen (s Rn 364) feststeht. Grundsätzlich sind die Forderungen der Anteilseigner nachrangig gegenüber allen anderen Forderungen. Insoweit treten diese an letzte Stelle. Falls alle anderen Gläubigerinteressen befriedigt wurden, sind auch die Anteilseigner dazu berechtigt, Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen in Form der Insolvenzmasse zu erhalten. Aus diesem Grund ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar der frühestmögliche Zeitpunkt, aber idR nicht der maßgebende, da nicht bestimmt werden kann, ob die Anteilseigner noch mit einer Änderung des Veräußerungsverlustes aufgrund von Rückzahlungen aus der KapGes zu rechnen haben.
Im Fall der Liquidation der Gesellschaft schließt der BFH eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter regelmäßig erst dann aus, wenn die Liquidation abgeschlossen ist (BFH vom 13.10.2015, IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385; BFH vom 03.12.2014, IX B 90/14, BFH/NV 2015, 493; BFH vom 12.12.2000, VIII R 52/93, BStBl II 2001, 286).
Rn. 361
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Nur ausnahmsweise kann für die Geltendmachung eines Verlustes auf einen früheren Zeitpunkt als den Abschluss der Liquidation abgestellt werden. Hierfür ist anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen, dass nicht mehr mit Rückzahlungen zu rechnen ist (BFH vom 03.06.1993, VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162).
Diesbezüglich hat die Rspr konkrete Vorgaben gemacht, wann die Berücksichtigung des Auflösungsverlustes bereits vor Beendigung des Insolvenzverfahrens in Betracht kommt.
- Zum einen muss aufgrund des Inventars und der Insolvenzeröffnungsbilanz des Insolvenzverwalters ohne weitere Ermittlungen ersichtlich sein, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Gesellschaftsvermögen zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird (BFH vom 12.12.2000, VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).
- Ferner muss ein Zwangsvergleich ausgeschlossen sein. Falls ein Zwangsvergleich möglich erscheint, ist die Entstehung eines Auflösungsverlustes ausgeschlossen, da das Schicksal der Gesellschaft durch die Möglichkeit eines Zwangsvergleiches ungewiss ist (Völlmeke, DStR 2005, 2024).
Insolvenzgutachten sind unter diesem Gesichtspunkt nicht unkritisch. Sie dienen in erster Linie dazu herauszufinden, ob die Insolvenzmasse die Kosten deckt und nicht dazu, ob die Gesellschafter noch mit Rückzahlungen rechnen können.