Dr. jur. Lukas Karrenbrock
1. Allgemeines
Rn. 170
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Der Veräußerungspreis iSd § 17 Abs 2 S 1 EStG ist das Entgelt, welches dem Veräußerer für die Übertragung am wirtschaftlichen Eigentum der Anteile zufließt. Das umfasst alle vom Erwerber erhaltenen Gegenleistungen. Diese können zusätzlich oder ausschließlich auch in Form von Sach-, Dienstleistungen, Rechten, Abtretungen von Forderungen oder sonstigen Leistungen jeder Art bestehen (BFH vom 17.10.1974, IV R 223/72, BStBl II 1975, 58; BFH vom 07.03.1995, VIII R 29/93, BStBl II 1995, 693).
Maßgeblich ist der gemeine Wert zum Stichtag, welcher gemäß den §§ 2–16 BewG zu ermitteln ist. Darüber hinaus können auch Zahlungen von fremden Dritten an den Veräußerer oder aber vom Erwerber an fremde Dritte als Veräußerungspreis zu qualifizieren sein.
Rn. 171
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Ein Recht des Veräußerers auf Gewinnausschüttungen nach Übertragung der Anteile erhöht den Veräußerungspreis entsprechend. Entscheidend ist, wer beim Zeitpunkt der Fassung des Gewinnausschüttungsbeschlusses gemäß § 39 AO Inhaber der Anteile war, da die Dividende als Einkünfte aus KapVerm nur vom Anteilseigner iSd § 20 Abs 5 EStG bezogen werden kann (BFH vom 13.03.2018, IX R 35/16, BFH/NV 2018, 936; Schneider in K/S/M, § 17 EStG Rz C55). Der Dividendenanspruch entsteht nicht ratierlich, sondern erst im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses.
Beispiel:
V veräußert am 30.01.2023 seine Beteiligung an E für EUR 100 000. Es erfolgte für das Jahr 2022 noch keine Gewinnausschüttung; folglich wurde die Beteiligung inklusive Dividendenanspruch für das Jahr 2022 veräußert. Hierfür wird im Kaufvertrag ein Kaufpreis in Höhe von EUR 5 000 vereinbart. Der Ausschüttungsbeschluss für das Jahr 2022 wird am 15.02.2023 gefasst.
Lösung:
Der Veräußerungserlös iSd § 17 EStG bei V beträgt EUR 105 000. Dies stellen auch die AK bei E dar. E versteuert die im Februar 2023 erfolgte Gewinnausschüttung als Einkünfte aus KapVerm iSd § 20 EStG. Im Ergebnis wird bei V die für 2022 erfolgte Ausschüttung in Veräußerungsgewinn transformiert. Statt der AbgSt greift bei V insoweit das Teileinkünfteverfahren, was im Einzelfall zu erheblichen Unterschieden führen kann (zB bei verrechenbaren Verlusten; ferner auch beim Steuersatz bei hoher Progression).
Ferner wirkt sich der um den Dividendenanspruch höhere Kaufpreis bei E erst aus, wenn er die Beteiligung veräußert oder liquidiert.
Um diese – häufig nicht gewünschte – Folge zu vermeiden, muss ein vorweggenommener Gewinnausschüttungsbeschluss (vor Ablauf des Geschäftsjahres und Feststellung des JA) spätestens mit der Veräußerung gefasst werden. So liegen beim ausscheidenden Gesellschafter anstelle eines (nachträglichen) Veräußerungserlöses iSd § 17 EStG KapErtr iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG und damit beim erwerbenden Gesellschafter keine AK vor (BFH vom 13.03.2018, IX R 35/16, BFH/NV 2018, 936), wenn
- ein zivilrechtlich wirksamer und von allen an der KapGes beteiligten Gesellschaftern einstimmig beschlossener vorweggenommener Gewinnverteilungsbeschluss vorliegt,
- Beschlussgegenstand der laufende Gewinn der KapGes im Wj der Veräußerung der Anteile sowie etwaige vorhandene Gewinnrücklagen sind und
- ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen ist; dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Gesellschafter der KapGes eine Verteilungsquote gewählt haben, die ihnen mit Blick auf ihre mitgliedschaftlichen Beteiligungsrechte ohnehin zustand.
Rn. 172
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Dividendenansprüche können nur dann eigenständig veräußert werden, wenn der entsprechende Ausschüttungsbeschluss bereits gefasst wurde und demnach ein entstandener Gewinnausschüttungsanspruch vorliegt. Nur in diesem Fall zählt der Dividendenanspruch nicht zum Anteil iSd § 17 EStG und kann als selbstständiges Recht veräußert werden (Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG Rz 270 (42. Aufl) "Gewinnbezugsrecht").
Rn. 173
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Grundsätzlich kann der Kaufvertrag, welchen die Vertragsparteien verhandelt haben, aufgrund unterschiedlicher Motive und Marktpositionen auch zu einem vom marktüblichen Preis abweichenden Entgelt führen. Daraus resultierend sind auch erhöhte oder reduzierte Kaufpreisvereinbarungen grds anzuerkennen (BFH vom 25.11.1965, IV 216/64 S, BStBl III 1966, 110).
Dies gilt allerdings nicht, wenn eine Interessenskollision wie unter fremden Dritten nicht zustande kommt, sondern vielmehr gleichgerichtete Interessen bestehen, was regelmäßig bei Übertragungen zwischen nahen Angehörigen vermutet wird. In diesem Fall ist bei einem unangemessen niedrigen Preis eine gemischte Schenkung anzunehmen, welche eine Aufteilung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zur Folge hat (s Rn 118). Der entgeltliche Teil ist für die Besteuerung gemäß § 17 EStG als Veräußerungspreis zugrunde zu legen, während für den Teil der Schenkung kein Veräußerungstatbestand realisiert wird und die AK auf den neuen Gesellschafter übergehen (Fußstapfentheorie).
Davon abzugrenzen sind gesonderte Entgelte, die basierend auf...