Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Rn. 152
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Durch den Erbfall wird der Vermächtnisnehmer im Gegensatz zum Erben oder der Erbengemeinschaft nicht automatisch (Gesamthands-)Eigentümer des vermachten Gegenstandes. Das Vermächtnis begründet lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegenüber dem Erben auf Übertragung dieses vermachten Gegenstandes (§ 2173 BGB). Auch die Übertragung von Anteilen an einer KapGes vom Erben an den Vermächtnisnehmer ist grds als unentgeltlicher Vorgang zu werten, da der Erbe keine Gegenleistung vom Vermächtnisnehmer erhält.
Der BFH hat jedoch entschieden, dass der Erwerb durch Vermächtnis steuerrechtlich als entgeltlich zu beurteilen sein kann, wenn der Vermächtnisnehmer mit einem Untervermächtnis belastet ist und der Wert des vermächtnisweise zugewendeten Gegenstands einerseits und der Verpflichtung aus dem Untervermächtnis andererseits sich annähernd ausgleichen (BFH vom 13.11.2002, I R 110/00, BFH/NV 2003, 820). In diesem Fall waren Gesellschafter einer GmbH der Erblasser und die Tochter. Der Erblasser hatte die Tochter zur Alleinerbin eingesetzt und ein Vermächtnis zugunsten der GmbH ausgesetzt, wonach sie seine Anteile (AK = TDM 500) als eigene Anteile erwerben sollte. Als Untervermächtnis sollte die GmbH einen Betrag von DM 1 Mio an die Ehefrau des Erblassers zahlen. Bei bilanzieller Betrachtung würde das Vermächtnis für die GmbH zu einem Verlust führen, da die AK des Erblassers nur TDM 500 betragen haben, während die GmbH andererseits im Hinblick auf das Untervermächtnis eine Verbindlichkeit von DM 1 Mio passivieren müsste. Diese Situation hat der BFH vermieden, indem er die Annahme des Untervermächtnisses als Gegenleistung für die vermächtnisweise Zuwendung angesehen, also ein Austauschverhältnis zwischen Vermächtnis und Untervermächtnis, angenommen hat. Der BFH ist dabei nicht davon ausgegangen, dass ein Untervermächtnis grds zu AK des Vermächtnisnehmers führt (verneinend BFH vom 16.05.1995, VIII R 18/93, BStBl II 1995 ,714 unter 2.d.; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 592 (42. Aufl)).
Rn. 153
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Nach heute geltendem Recht hätte die maßgeblich beteiligte Erbin jedoch die geerbten Anteile verdeckt in die KapGes eingelegt (§ 17 Abs 1 S 2 EStG), so dass der gemeine Wert der Anteile als Veräußerungspreis gilt (Anmerkung Buciek zu BFH vom 13.11.2002, ZEV 2003, 255, 257). Der Einlegende (hier die Erbin) muss also nunmehr die Differenz zwischen dem tatsächlichen (Zeit-)Wert der Anteile und seinen AK versteuern.
Korrespondierend muss die aufnehmende KapGes die eingelegten Anteile mit dem Teilwert ansetzen (BMF BStBl I 1998, 1227; Gosch in Kirchhof/Seer, § 17 EStG Rz 124 mwN (22. Aufl)).