Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Rn. 99
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Gehören die Anteile einer KapGes zivilrechtlich zum Gesamthandsvermögen einer PersGes (zB vermögensverwaltende Immobilien-KG, GbR, Erbengemeinschaft, atypisch stille Beteiligung), so sind sie anteilig wie bei einer Mitberechtigung nach Bruchteilen gemäß § 39 Abs 2 Nr 2 AO zuzurechnen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Gesamthandsgemeinschaft keine betrieblichen Einkünfte erzielt und somit die Anteile dem PV der Gesellschafter zuzurechnen sind, da die Sonderregelung des § 15 Abs 1 Nr 2 EStG die Anwendung des § 17 EStG verdrängen würde (OFD Ffm vom 02.09.2015, S 2256 A - 41 – St 213, DStR 2015, 2554, aA Frotscher/Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, § 17 EStG Rz 32 (April 2021)).
Nach der Rspr des BFH sind Kapitalbeteiligungen einer vermögensverwaltenden PersGes/Gemeinschaft den Gesellschaftern für die Bestimmung des Veräußerungstatbestands nach § 17 EStG anteilig zuzurechnen, sog Bruchteilsbetrachtung (BFH vom 09.05.2000, VIII R 41/99, BStBl II 2000, 686). Für die Ermittlung der Beteiligungsgrenze ist stets nur auf den einzelnen Gesellschafter abzustellen, nie auf die Gesellschaft als Ganzes (vgl H 17 Abs 2 EStH 2021 "Gesamthandsvermögen"). Auf Grundlage dieser Bruchteilsbetrachtung ist die Veräußerung des Anteils an einer vermögensverwaltenden PersGes, die eine maßgebliche Beteiligung hält, als anteilige Veräußerung der Beteiligung an der KapGes durch die Gesellschafter der PersGes zu sehen (BFH vom 13.07.1999, VIII R 72/98, BStBl II 1999, 820; BFH vom 09.05.2000, VIII 41/99, BStBl II 2000, 686; H 17 Abs 2 EStH 2021 "Gesamthandsvermögen").
Rn. 99a
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Wird eine vermögensverwaltende PersGes durch Bareinlage gegründet und erwirbt diese Anteile vom Gesellschafter, führt dies zu keiner Verwirklichung eines Veräußerungstatbestandes (Milatz/Sax, DStR 2017, 141, 142). Eine Veräußerung findet nur insoweit statt, wie ein Dritter an der PersGes beteiligt ist. Dies gilt aufgrund der Bruchteilsbetrachtung ebenso, wenn die vermögensverwaltende PersGes statt durch Bareinlage durch Einbringung von Anteilen gegründet wird. Nach der Einbringung in eine vermögensverwaltende PersGes sind die eingebrachten Anteile dem einbringenden Gesellschafter in Höhe seiner Beteiligungsquote zuzurechnen.
Beispiel:
A und B gründen mit Bareinlagen iHv jeweils EUR 50 000 die vermögensverwaltende AB GbR, an der beide mit jeweils 50 % beteiligt sind. A veräußert seine 100 %ige Beteiligung an der X-GmbH an die AB GbR für EUR 100 000.
Lösung:
Die Anteile an der X-GmbH sind aufgrund der Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs 2 Nr 2 AO jeweils hälftig A und B zuzurechnen. Die Veräußerung der Anteile durch A an die AB GbR hat zu 50 % (= Anteil B an der AB GbR) zu einer Veräußerung iSd § 17 EStG geführt. In Höhe der übrigen 50 % (= Anteil A an der AB GbR) hat kein steuerbarer Realisationsvorgang stattgefunden.
Soweit ersichtlich noch nicht entschieden ist, ob die Einbringung von Anteilen iSd § 17 EStG in eine vermögensverwaltende PersGes einen Veräußerungstatbestand auslösen kann, wenn Anteile nach der Einbringung nicht mehr dem jeweiligen Gesellschafter allein zuzurechnen sind. In der Beratungspraxis sollte in solchen Konstellationen unbedingt im Vorfeld eine verbindliche Auskunft eingeholt werden.
Beispiel (nach Milatz/Sax, DStR 2017, 141, 143):
Die natürlichen Personen A und B halten jeweils 10 % an der X-AG. Sie bringen ihre Beteiligungen jeweils in die AB-GbR ein, an der sie beide mit jeweils 50 % beteiligt sind.
Lösung:
Es liegt ein tauschähnlicher Vorgang vor. A hat 50 % seiner Anteile an der X-AG an B abgegeben und von ihm wiederum 50 % seiner Anteile an der X-AG als Gegenleistung erhalten. Bei B verhält es sich spiegelbildlich.
Vor und nach der Einbringung halten A und B jeweils 10 % an der X-AG, die ihnen aufgrund der Bruchteilsbetrachtung zuzurechnen sind. Da A und B jeweils 5 % ihrer ursprünglich eigenen Anteile und 5 % an den Anteilen des jeweils anderen zugerechnet werden, wäre insoweit ein Veräußerungstatbestand erfüllt. Unter Gesichtspunkten des Leistungsfähigkeitsprinzips ist jedoch eine teleologische Reduktion geboten (glA Milatz/Sax, DStR 2017, 141, 144).
Rn. 100
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Soweit die Beteiligung an einer Gesamthand ohne BV bei einem Gesellschafter betrieblich veranlasst ist (Zebragesellschaft: s § 15 Rn 164 (Bitz)), sind diese Anteile als BV gemäß § 39 Abs 2 Nr 2 AO zuzurechnen, so dass die Veräußerung nicht von § 17 EStG erfasst wird, sondern von § 15 EStG (Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 61 (42. Aufl)). Veräußerungsvorgänge einer vermögensverwaltenden PersGes, die den Tatbestand des § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG erfüllen, sind zunächst als Gewinn/Verlust gesondert und einheitlich festzustellen, und zwar auch dann, wenn ein, mehrere oder alle Gesellschafter mit der Veräußerung den Tatbestand des § 17 EStG verwirklicht haben. Die (Um-)Qualifizierung als Vorgang nach § 17 EStG (§ 20 Abs 8 EStG) erfolgt auf Ebene der Gesellschafter im Veranlagungsverfahren (BMF vom 18.01.2016, BStBl...