Rn. 643
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die Betriebs-/Praxisaufgabe ist die endgültige Einstellung der bisherigen selbstständigen Tätigkeit aufgrund eines Entschlusses des StPfl, den Betrieb aufzugeben, und Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen oder deren äußerlich erkennbare Zuführung zu betriebsfremden Zwecken/in das PV in einem einheitlichen Vorgang, sodass – im Gegensatz zu einer einfachen Betriebsunterbrechung (hierzu FG Münster EFG 2019, 362) – der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (BFH BStBl II 2011, 1019). Sie führt aufgrund der in § 18 Abs 3 S 2 EStG enthaltenen Verweisung ua auf § 16 Abs 3 EStG ebenfalls zu Einkünften aus selbstständiger Arbeit (§ 16 Abs 3 EStG gleichgestellt, BFH BFH/NV 2010, 346). Das gilt auch für die Aufgabe eines selbstständigen Teils des Vermögens (Teilbetrieb, s Rn 637ff). Zwar wird der Teilbetrieb in § 16 Abs 3 S 1 EStG nicht erwähnt; trotzdem wird seine Aufgabe nach st Rspr behandelt wie die Aufgabe eines ganzen Betriebs (vgl BFH BStBl II 1995, 705; BFH/NV 1998, 452). Dazu gehört auch die Übernahme einer zum BV gehörenden 100 %igen Beteiligung an einer KapGes ins PV (BFH BStBl II 1982, 751).
Der Grund für die Betriebsaufgabe ist unerheblich (BFH BStBl II 1991, 802).
Rn. 643a
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Eine Betriebs-/Praxisaufgabe liegt wegen der Personenbezogenheit der selbstständigen Arbeit nur vor, wenn der StPfl seine selbstständige Tätigkeit einstellt und weder eine Wiederaufnahme (Fortsetzung) noch eine Betriebsveräußerung beabsichtigt. IdS muss die Tätigkeit mit allen Konsequenzen beendet werden (s Rn 643b). Zweifelhaft ist mE, ob auch in diesem Zusammenhang die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis nur für eine "gewisse Zeit" eingestellt werden darf (s die Unterscheidung in BFH BStBl III 1964, 120; vgl R 18.3 Abs 3 EStR 2012; aA Wacker in Schmidt, § 18 Rz 254).
Rn. 643b
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Erforderlich ist eine zügige Abwicklung innerhalb eines begrenzten Zeitraums. Dieser ist mit 36 Monaten zu lang bemessen (BFH BStBl II 2001, 798); idR müssen 6 Monate ausreichen (BFH BFH/NV 1994, 560). Die Zurückbehaltung eines Teils des Mandantenstammes wird als unschädlich angesehen, wenn mit diesem in den letzten drei Jahren vor der Praxisaufgabe weniger als 10 % der gesamten Einnahmen erwirtschaftet worden ist (BFH BStBl II 1993, 182; 1994, 925).
Rn. 643c
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Einen Sonderfall bildet die (echte) Realteilung einer Mitunternehmerschaft (§ 18 Abs 3 S 2 EStG iVm § 16 Abs 3 S 2 EStG). Sie ist begrifflich nicht Veräußerung, sondern Aufgabe der Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mitunternehmern, bei der mindestens ein Mitunternehmer die ihm zugewiesenen WG in ein anderes BV überführt (BFH BStBl II 2014, 242). Der Begriff schließt das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer fortbestehenden Gesellschaft unter Mitnahme eines weiterhin zu seinem BV gehörenden Teilbetriebs (Sachgesamtheit) ein (BFH BStBl II 2017, 37; FG Münster EFG 2015, 915; zur Abgrenzung s BMF BStBl I 2017, 36; Stimmen im Schrifttum s Schrifttum vor Rn 600 aE). Bei ihr sind nach § 16 Abs 3 S 2 EStG die Buchwerte anzusetzen, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist, dh die Mitunternehmer in Einzelpraxen ihre bisherige berufliche Tätigkeit fortsetzen (BFH BFH/NV 2011, 1572; BStBl II 2014, 242; FG He EFG 2014, 339; Arens, BRAK-Mitt 2013, 250).
Allerdings ist die Sperrfrist nach § 16 Abs 3 S 3 EStG zu beachten, deren Verletzung zum rückwirkenden Ansatz der gemeinen Werte führt, soweit bestimmte zum Buchwert übertragene WG veräußert oder entnommen werden; der hierbei entstehende Übertragungsgewinn ist nach nicht unbestrittener Auffassung nach dem Gewinnverteilungsschlüssel der Gesellschaft aufzuteilen (so wohl BFH BStBl II 2019, 24 unter B.II.3.; FG SAnh EFG 2020, 716, Rev VIII R 14/19); hierzu s § 16 neu Rn 1581ff (Schacht).
Die Aufdeckung stiller Reserven führt zu einem auf der Ebene der Gesellschaft realisierten Aufgabegewinn, der den Realteilern über ihre Gewinnanteile zurechnen ist und grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Tarifbegünstigung nach § 34 Abs 2 Nr 1 EStG fällt. Deren Anwendung erfordert jedoch neben der Aufdeckung der stillen Reserven in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang die Aufgabe der wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit. Deren Überleitung in eine neu gegründete GbR und die dortige Verwertung durch Veräußerung (Ausscheidung aus der GbR gegen Abfindung) genügt diesem Erfordernis auch dann nicht, wenn der Realteiler im Ergebnis seine freiberufliche Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis aufgibt (zu allem: BFH BStBl II 2020, 251; Kaminsky, AktStR 2019, 623).
Zur Behandlung einer Realteilung mit Spitzenausgleich s BFH BStBl II 1994, 607; BMF BStBl I 2017, 36; zur Gewinnrealisierung durch zusätzliche Zuwendungen, zB Geldrente, s BFH BStBl II 2017, 37.
Rn. 644
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