Schrifttum:
Irmler, Erfindervergütungen bei Betriebsaufspaltung, BB 1980, 1468;
List, Die Zufallserfindung und die ESt, DB 1999, 1085;
Jakob, Der patentrechtliche und steuerrechtliche Erfinder …, DStZ 2000, 317;
Kempermann, Freiberufliche PersGes kann Freiberufler unterschiedlicher Sparten umfassen – Was ist wissenschaftlich, was ist künstlerisch?, FR 2001, 305;
Korn, Neues zur Besteuerung von Freiberuflern, KÖSDI 2003, 13 605;
List, Nachhaltiges Erfinden – Ungelöste steuerrechtliche Probleme, DB 2004, 1172;
List, Steuerrechtliche Folgen einer gelegentlichen Erfindung durch einen Einzelerfinder, DB 2006, 1291;
Marx/Kilincsoy, Die einkommensteuerliche Qualifikation von Zufallserfindungen, DB 2017, 2313.
a) Begriff
Rn. 83
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Der Begriff der wissenschaftlichen Tätigkeit bzw der "Wissenschaftlichkeit" iSd § 18 Abs 1 Nr 1 EStG ist ein steuerrechtlicher Begriff (BFH BStBl III 1952, 165; BStBl II 2009, 238; 2017, 908; BFH/NV 1994, 89; 1995, 2109; Schick, Die freien Berufe 1973, 20). Hiernach besteht die wissenschaftliche Tätigkeit darin, eine schwierige Aufgabe nach wissenschaftlichen Grundsätzen, dh nach streng sachlichen und objektiven Gesichtspunkten zu lösen zu versuchen (vgl BFH BStBl II 1992, 826; 2009, 238; 2017, 908).
Unterschieden wird zwischen
- der reinen Wissenschaft als der schöpferischen bzw forschenden Tätigkeit, insb der Grundlagenforschung, und
- der angewandten Wissenschaft als der untersuchenden Anwendung der Ergebnisse der Ersteren auf konkrete Vorgänge/Fragestellungen.
Da auch die reine Wissenschaft konkrete Fragestellungen betrifft, bezieht sich der Begriff der angewandten Wissenschaft mE auf die Lösung von praktischen Fragen des täglichen Lebens (vgl BFH BStBl II 1976, 464; 1992, 826; 2001, 241; BFH/NV 1986, 250; 1993, 360; 1994, 89; 2011, 255). Stets aber – so der BFH – müssen grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang gebracht werden (BFH BStBl II 1971, 749; 1989, 212; 1993, 23; 2001, 241; 2017, 908; BFH/NV 2000, 1460). Die Objektivität der Untersuchung muss gesichert, dh von der Methodik her nachprüfbar und nachvollziehbar sein (BFH BStBl II 1989, 965; BFH/NV 1993, 235; 1993, 360).
Hiervon zu unterscheiden und keine Wissenschaft ist die bloße Anwendung wissenschaftlicher Grundsätze auf konkrete Sachverhalte (vgl BFH BStBl II 1985, 655; 1994, 864; BFH/NV 1989, 212; 1993, 360; 1995, 210). Das gilt auch für die praktische Ausübung eines an sich als wissenschaftlich zu kennzeichnenden Berufs, selbst wenn es sich im Einzelfall um hochqualifizierte Tätigkeiten handelt, sowie für die bloße Vermittlung wissenschaftlicher Grundsätze und Methoden im Rahmen einer praxisorientierten Beratung (BFH BStBl II 2009, 238).
Umso weniger Wissenschaft sind "Forschungs-"Gegenstände, die mangels empirischer Grundlagen weder objektivierbar noch nach ihrer Methodik nachprüfbar sind, wie zB die Parapsychologie (vgl zur Hellseherei BFH BStBl II 1976, 464; FG D'dorf EFG 2005, 824 rkr) oder Astrologie (FG D'dorf EFG 1967, 522 rkr).
b) Inhaltliche Anforderungen
Rn. 83a
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die Anforderungen an die wissenschaftliche Betätigung richten sich nach dem Charakter des jeweiligen Fachgebietes (BFH BStBl II 1992, 826; BFH/NV 1993, 630). Das gilt insb für die Frage, ob die untersuchten Fragen in der schriftlichen Ausarbeitung zusätzlich problematisiert werden müssen (BFH BStBl II 1993, 235 zur rechtswissenschaftlichen Begutachtung; BFH BStBl II 1992, 826 mit weiteren Bsp; BFH BStBl II 1989, 212; BFH/NV 1994, 89 zur Sozialforschung; FG Köln EFG 1995, 26 rkr, zur wissenschaftlichen Tätigkeit als beratender Betriebswirt).
Ein wichtiges Anzeichen für die Wissenschaftlichkeit einer Arbeit ist es, wenn sie in ähnlicher Form als Examens- oder Diplomarbeit Erfolg haben könnte (BFH BStBl II 1992, 826; BFH/NV 1993, 360; 1994, 89). Dasselbe soll gelten, wenn entsprechende Gutachtenaufträge auch an Universitätsinstitute vergeben oder in einer eigenen Forschungsabteilung des Auftraggebers durchgeführt werden würden (BFH BFH/NV 1993, 360).
In der Rechtspraxis werden nicht selten die an sich strengen Anforderungen an Wissenschaftlichkeit gegenüber ihrem Begriff deutlich abgesenkt (s Rn 86ff).
Zum anderen sind Arbeiten, die keinen mit wissenschaftlichen Kenntnissen und Methoden vertrauten Auftragnehmer erfordern, selbst dann nicht als wissenschaftlich einzustufen, wenn wissenschaftliche Lehrsätze und Formeln verwendet werden (vgl BFH BStBl II 1992, 826).
c) Vorbildung
Rn. 83b
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Der Begriff der Wissenschaftlichkeit ist in besonderem Maße mit Disziplinen verbunden, die an den Hochschulen gelehrt werden (BFH BStBl II 2001, 241). Eine Tätigkeit ist wissenschaftlich, wenn für ihre Ausübung wissenschaftliche Kenntnisse Voraussetzung sind und des Weiteren eine hochstehende qualifizierte Tätigkeit entfaltet wird, die der Forschertätigkeit vergleichbar ist (BFH BStBl II 1973, 183; 1994, 864; BFH/NV 1987, 156; 1994, 89). Gleichwohl bestehen keine unabdingbaren Voraussetzungen an ei...