a) Allgemeines
Rn. 70
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Gelegentlich argumentiert der BFH mit der "Verkehrsanschauung". Dieses Hilfsmittel ist mE nur in beschränktem Umfang geeignet, eine zweifelhafte Rechtslage zu klären, und sollte deswegen vorsichtig eingesetzt werden. Das gilt umso mehr, als sich hinter der "Verkehrsanschauung" häufig genug nicht mehr verbirgt als ein vages Empfinden dahin, wie die Entscheidung wohl ausgehen sollte. Gegenstand dieser Entscheidung aber sind steuerrechtliche Begriffe, die – wie der BFH häufig genug ausführt – ihre je eigenen, von der arbeits-, sozial- und verwaltungsrechtlichen Begriffsbildung und damit auch von der Anschauung des Verkehrs abweichenden Bedeutungen haben.
Der Verkehrsanschauung zugänglich sind mE die Fragen, ob eine bestimmte Art einer Berufstätigkeit, zB der Einsatz von Kapital und Personal oder bestimmte Verwertungshandlungen, noch mit dem betreffenden Berufsbild vereinbar sind, oder ob bei gemischten Tätigkeiten eine Verflechtung der verschiedenen Elemente vorliegt mit der weiteren Fragestellung der Prägung der Gesamttätigkeit.
Keine Frage der Verkehrsanschauung kann mE die Frage sein, ob ein nicht im Katalog bezeichneter Beruf ein "ähnlicher" iSd Vorschrift ist; sie beantwortet sich nach klaren methodologischen Kriterien.
Im Einzelnen s Rn 71–74.
b) Kunst und Verkehrsauffassung
Rn. 71
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Überraschend (und inkonsequent) erscheint es, dass der BFH auch bei der Frage der Qualifizierung bestimmter Erzeugnisse als Kunst die Verkehrsauffassung insofern als tragendes Argument heranzieht, dass das Erzeugnis (zB Popmusik, Gemälde) bei einem nicht nur kleinen Käuferkreis "Anklang" gefunden habe (zB BFH BStBl II 1981, 71; 1992, 413).
Es sei darauf hingewiesen, dass dieser "Anklang" nicht zu den Elementen zählt, die nach den durchaus unterschiedlichen Wesensbestimmungen durch das BVerfG und den BFH das Wesen der Kunst ausmachen. Und wie steht es mit der Beurteilungskompetenz des nicht nur kleinen Käuferkreises? Andererseits ist der BFH durchaus geneigt, die Annahme von Kunst unter Hinweis auf die Verkehrsauffassung abzulehnen (zB BFH BFH/NV 1993, 716 zum Fakir), obwohl das Dargebrachte ggf hinreichenden Anklang gefunden hatte.
c) Abgrenzung zur kaufmännischen Tätigkeit
Rn. 72
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Nicht mehr selbstständige Arbeit ist nach der höchstrichterlichen Rspr die Tätigkeit des Angehörigen eines der in § 18 Abs 1 Nr 1–3 EStG genannten Berufe, wenn sie nach der Verkehrsanschauung als gewerbliche angesehen wird, vornehmlich also dann, wenn die Ausübung der Tätigkeit besondere wirtschaftliche Maßnahmen voraussetzt, die für die Ausübung eines Gewerbebetriebs kennzeichnend sind.
Solche Maßnahmen sind eine umfangreiche kaufmännische Organisation (BV und/oder Personal) und eine kaufmännisch aufgezogene Werbung, die auf Aktivitäten iS eines gewerblichen Unternehmens hinweisen (vgl RFH RStBl 1939, 158 sowie BFH BStBl II 1969, 375; 1973, 661; 1976, 152).
Beispiel:
Der Häuserverwalter, der zahlreiche Hausverwaltungen nur aufgrund eines umfangreichen kaufmännischen Betriebs mit selbstständig arbeitenden Angestellten erledigen kann, ist trotz der Nennung in § 18 Abs 1 Nr 3 EStG Gewerbetreibender (s Rn 335).
Entscheidend ist stets die Qualität der Tätigkeit. Hatte zB der Architekt ein eigenes Haus mit dem Ziel errichtet, sämtliche Wohnungen als Eigentumswohnung zu verkaufen, dann war seine gesamte Tätigkeit zur Planung und Realisierung des Bauvorhabens mit der anschließenden Veräußerungstätigkeit (Überschreiten der Objektgrenze vorausgesetzt) gewerblich. Verkauft er später den Bauplan für das Haus an jemanden, der diesen Plan für ein eigenes Bauvorhaben braucht, liegt hierin nicht die Veräußerung eines WG des gewerblichen BV, sondern eine freiberufliche Leistung unter Rückgriff auf das Planarchiv des Architekten.
d) Absatzförderung
Rn. 73
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Ist eine Tätigkeit auf Absatzförderung gerichtet und/oder wird sie auf Provisionsbasis vergütet, so liegt – auch wenn die vorhergehenden Beratungsleistungen von einem Angehörigen eines Katalogberufes erfolgt sind – eine gewerbliche Tätigkeit vor (zum Ingenieur s Rn 196; zum Architekten s Rn 203). Für eine freiberufliche Tätigkeit spricht in solchen Fällen, wenn die Beratungstätigkeit die geschuldete Hauptleistung darstellt und das Honorar hierfür nicht nur bei einem Erfolg der Beratung geschuldet wird (BFH BStBl II 1989, 24; 1989, 965).
Danach sind alle Personen, die als Agenten, Makler und dgl tätig sind, als Gewerbetreibende einzuordnen (vgl BFH BStBl II 1984, 129; BFH/NV 1991, 435).
Eine gewisse Besonderheit besteht beim Künstleragent, der im Normalfall (Vermittlung) Gewerbetreibender ist (BFH BStBl III 1960, 329; 1966, 36; BStBl II 1970, 517). Würde er seine Vergütung jedoch für die Gestaltung der Aufführung beziehen, könnte insoweit künstlerische Tätigkeit anzunehmen sein (BFH BStBl II 1972, 624).
e) Werbung
Rn. 74
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Auch bei der Abgrenzung zwischen künstlerischer und gewerblicher Tätigkeit misst der BFH der allg Verkehrsauffassung besonderes Gewicht bei, etwa wenn Schauspieler zusätzlich i...