Rn. 365
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Vor Erlass des WagKapG (s Rn 366) war umstritten, ob
die Fondsgesellschaft private oder gewerbliche Einkünfte erzielt. Nach dem Kriterienkatalog des BMF BStBl I 2004, 40 Tz 6ff (berichtigt BStBl I 2006, 632), war schädlich
- der Einsatz von Bankkrediten/die Übernahmen von Sicherheiten
- eine eigene Organisation
- die Ausnutzung eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrung
- das Anbieten gegenüber der breiten Öffentlichkeit/das Handeln auf eigene Rechnung
- eine kurzfristige Beteiligung
- die Reinvestition von Veräußerungserlösen
- das unternehmerische Tätigwerden in der Portfolio-Gesellschaft sowie
- die gewerbliche Prägung bzw "Infektion"
(zu allem OFD Magdeburg, DStR 2006, 1505; Fischer, FR 2002, 597; Keisinger, NWB F 3, 12 849, 12 853);
- das besondere kapitaldisproportionale Leistungsentgelt (Carried Interest) im Gegensatz zu den üblichen Gewinnanteilen der Gesellschaft als "verdecktes" Entgelt für eine Tätigkeit anzusehen ist und damit stets zu stpfl Einkünften (§ 18 Abs 1 Nr 3 EStG, ggf auch – bei Halten der Beteiligung in BV – § 15 EStG) führt, was die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr 40 EStG iVm § 3c Abs 2 EStG und die Steuerbefreiung des § 8b Abs 1 u 2 KStG auf die erhöhten Gewinnanteile ausschloss (BMF BStBl I 2004, 40 Tz 25; hierzu Behrens, FR 2004, 1211; Friederichs/Köhler, DB 2004, 1638; 2006, 1396);
- die erhöhte kapitaldisproportionale Vergütung entsprechend der gesellschaftlichen Abrede als Anteil an den Einkünften der Fondsgesellschaft (privat oder gewerblich) zu erfassen ist (hierzu Herzig/Gocksch, DB 2004, 600; Rodin/Veith/Bärenz, DB 2004, 103; Watrin/Struffert, BB 2004, 1688; Bauer/Gemmeke, DStR 2004, 1470).
Rn. 366
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Die Normierung erfolgte durch Art 1 Nr 2 WagKapG v 30.07.2004 (BGBl I 2004, 2013). Nach der Gesetzesbegründung (vgl insb BT-Drucks 15/3336, 1) bestand Einigkeit darüber, dass unter Wagnis-KapGes die Private Equity bzw Venture Capital verstanden wurden. Ziel der Neuregelung war nach vorangegangenen ordnungspolitisch und steuersystematisch begründeten Meinungsunterschieden zwischen Bundesrat einerseits (vgl BR-Entwurf, BT-Drucks 15/1405) und der Koalitionsfraktion andererseits (vgl BT-Drucks 15/3189) die Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die sachgerechte Besteuerung von Wagniskapitalfonds und damit insb für die Besteuerung des erhöhten Gewinnanteils (Carried Interest) der Fonds-Initiatoren (vgl BT-Drucks 15/3336, 1 und 7).
Die Regelung ist einen Tag nach der Verkündung (05.08.2004), also am 06.08.2004 in Kraft getreten (Art 2 des Gesetzes v 05.08.2004, BGBl I 2004, 2013).
Rn. 367
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Die Neuregelung enthält insofern einen Kompromiss (Friederichs/Köhler, DB 2004, 1638; Behrens, FR 2004, 1211; Gerling/Ismer, DStR 2005, 1596), als einerseits – wenn auch unter einschränkenden Voraussetzungen – die Auffassung des BMF BStBl I 2004, 40, es handele sich um stpfl Leistungsvergütungen, abgesichert wird, andererseits die hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr 40 EStG zur Anwendung kommt (zur Kritik Bauer/Gemmecke, DStR 2004, 1470; Altfelder, FR 2005, 6).
Rn. 368
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Die wirtschaftspolitische Bedeutung der Neuregelung besteht darin, dass zumindest für die Wagnis-KapGes (Venture Capital und Private Equity) ein Anreiz geschaffen ist, weil nunmehr feste und kalkulierbare steuerliche Rahmenbedingungen für ihren Einsatz bestehen (Watrin/Stuffert, BB 2004, 1888; Bauer/Gemmeke, DStR 2004, 1470). Damit hat der Gesetzgeber der zunehmenden Bedeutung der nichtbörslichen Finanzierung junger Unternehmen Rechnung getragen, und zwar letztlich durch die doppelte Begünstigung der Einordnung des Carried Interest bei den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit (keine GewStPfl!) und die Ermöglichung des Halb- bzw Teileinkünfteverfahrens. Nach Beraterbrief Betriebswirtschaft-Marktmonitor (BBB 2005, 70) sind Renditen von entweder kurzfristiger (1 Jahr) oder langfristiger Investition (10–20 Jahre) in Private Equity extrem günstig (kurzfristig: 17,7 %; langfristig zwischen 9,5 und 10,4 %).
Rn. 369
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Die steuersystematische Bedeutung liegt darin, dass nunmehr mit überwiegend konstitutiver Wirkung die bisherige Auffassung des BMF BStBl I 2004, 40 (Steuerbarkeit der Vergütungen der Beteiligten von Venture Capital und Private Equity) gesetzlich abgesichert wird. Das gilt nach Hs 2 des § 18 Abs 1 Nr 4 EStG auch, wenn die Vergütungen durch eine gewerblich geprägte PersGes iSd § 15 Abs 3 EStG erzielt werden (hierzu BT-Drucks 15/3336, 7). Die Sonderregelung des § 18 Abs 1 Nr 4 EStG schließt zudem die Möglichkeit aus, die betroffenen Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit zu erfassen.
Allerdings erscheint gesichert, dass Gesellschaften, die nicht dem Wagniskapitallbeteiligungsgesetz (WKBG) entsprechen (zB Fonds-KG), als vermögensverwaltend anzusehen sein können (BT-Drucks 16/9829; Breuninger/Ernst, FR 2008, 659).
Rn. 369a
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Die mit dem Gesetz z...