1. Allgemeines
Rn. 82
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Nach § 18 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG ist – jeweils für sich – die wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende und erzieherische Tätigkeit eine freiberufliche. Es kommt allein auf die Art der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit an, die selbstständig ausgeübt werden muss. Honorare, die ein Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller usw für die Teilnahme an einer "Talkshow" erhält, fallen daher nicht unter § 18 EStG (BFH BStBl II 2000, 254). Es kommen hier die Grundsätze zur Abgrenzung von Liebhaberei zum Tragen (dazu s Rn 24ff).
Den genannten Tätigkeiten ähnliche Berufe werden von der hM in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Vorschrift und dem Inhalt der bezeichneten Tätigkeiten nicht anerkannt (vgl BFH BStBl II 1971, 319; ebenso Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz 215 (Februar 2020); Hutter in Blümich, § 18 EStG Rz 157; Stuhrmann in K/S/M, § 18 EStG Rz B 150; Kempermann, FR 1992, 250, 253; aA Heuer, DStR 1983, 638, 640; s Rn 145).
Ob es einer Ausübung der Tätigkeit als "Beruf" bedarf, ergibt sich nicht aus dem Gesetz (bejahend möglicherweise die Rspr, vgl BFH BStBl III 1965, 263; BStBl II 1977, 31; 1993, 225; ebenso Schick, Die freien Berufe, 70; aA Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz 71 (Februar 2020)), ist mE aber schon wegen der Regelung in § 18 Abs 2 EStG zu verneinen: eine vorübergehende, etwa künstlerische, Entfaltung ist (noch) kein Beruf.
2. Wissenschaftliche Tätigkeit
Schrifttum:
Irmler, Erfindervergütungen bei Betriebsaufspaltung, BB 1980, 1468;
List, Die Zufallserfindung und die ESt, DB 1999, 1085;
Jakob, Der patentrechtliche und steuerrechtliche Erfinder …, DStZ 2000, 317;
Kempermann, Freiberufliche PersGes kann Freiberufler unterschiedlicher Sparten umfassen – Was ist wissenschaftlich, was ist künstlerisch?, FR 2001, 305;
Korn, Neues zur Besteuerung von Freiberuflern, KÖSDI 2003, 13 605;
List, Nachhaltiges Erfinden – Ungelöste steuerrechtliche Probleme, DB 2004, 1172;
List, Steuerrechtliche Folgen einer gelegentlichen Erfindung durch einen Einzelerfinder, DB 2006, 1291;
Marx/Kilincsoy, Die einkommensteuerliche Qualifikation von Zufallserfindungen, DB 2017, 2313.
a) Begriff
Rn. 83
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Der Begriff der wissenschaftlichen Tätigkeit bzw der "Wissenschaftlichkeit" iSd § 18 Abs 1 Nr 1 EStG ist ein steuerrechtlicher Begriff (BFH BStBl III 1952, 165; BStBl II 2009, 238; 2017, 908; BFH/NV 1994, 89; 1995, 2109; Schick, Die freien Berufe 1973, 20). Hiernach besteht die wissenschaftliche Tätigkeit darin, eine schwierige Aufgabe nach wissenschaftlichen Grundsätzen, dh nach streng sachlichen und objektiven Gesichtspunkten zu lösen zu versuchen (vgl BFH BStBl II 1992, 826; 2009, 238; 2017, 908).
Unterschieden wird zwischen
- der reinen Wissenschaft als der schöpferischen bzw forschenden Tätigkeit, insb der Grundlagenforschung, und
- der angewandten Wissenschaft als der untersuchenden Anwendung der Ergebnisse der Ersteren auf konkrete Vorgänge/Fragestellungen.
Da auch die reine Wissenschaft konkrete Fragestellungen betrifft, bezieht sich der Begriff der angewandten Wissenschaft mE auf die Lösung von praktischen Fragen des täglichen Lebens (vgl BFH BStBl II 1976, 464; 1992, 826; 2001, 241; BFH/NV 1986, 250; 1993, 360; 1994, 89; 2011, 255). Stets aber – so der BFH – müssen grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang gebracht werden (BFH BStBl II 1971, 749; 1989, 212; 1993, 23; 2001, 241; 2017, 908; BFH/NV 2000, 1460). Die Objektivität der Untersuchung muss gesichert, dh von der Methodik her nachprüfbar und nachvollziehbar sein (BFH BStBl II 1989, 965; BFH/NV 1993, 235; 1993, 360).
Hiervon zu unterscheiden und keine Wissenschaft ist die bloße Anwendung wissenschaftlicher Grundsätze auf konkrete Sachverhalte (vgl BFH BStBl II 1985, 655; 1994, 864; BFH/NV 1989, 212; 1993, 360; 1995, 210). Das gilt auch für die praktische Ausübung eines an sich als wissenschaftlich zu kennzeichnenden Berufs, selbst wenn es sich im Einzelfall um hochqualifizierte Tätigkeiten handelt, sowie für die bloße Vermittlung wissenschaftlicher Grundsätze und Methoden im Rahmen einer praxisorientierten Beratung (BFH BStBl II 2009, 238).
Umso weniger Wissenschaft sind "Forschungs-"Gegenstände, die mangels empirischer Grundlagen weder objektivierbar noch nach ihrer Methodik nachprüfbar sind, wie zB die Parapsychologie (vgl zur Hellseherei BFH BStBl II 1976, 464; FG D'dorf EFG 2005, 824 rkr) oder Astrologie (FG D'dorf EFG 1967, 522 rkr).
b) Inhaltliche Anforderungen
Rn. 83a
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Die Anforderungen an die wissenschaftliche Betätigung richten sich nach dem Charakter des jeweiligen Fachgebietes (BFH BStBl II 1992, 826; BFH/NV 1993, 630). Das gilt insb für die Frage, ob die untersuchten Fragen in der schriftlichen Ausarbeitung zusätzlich problematisiert werden müssen (BFH BStBl II 1993, 235 zur rechtswissenschaftlichen Begutachtung; BFH BStBl II 1992, 826 mit weiteren Bsp; BFH BStBl II 1989, 212; BFH/NV 1994, 89 zur Sozialforschung; FG Köln EFG 1995, 26 rkr, zur wissenschaftlichen Tätig...