ba) Allgemeines
Rn. 36
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Übernimmt ein bereits selbstständig Tätiger eine Nebentätigkeit auf dem Gebiet seines Hauptberufs, so wird idR eine selbstständige Nebentätigkeit vorliegen. Das muss jedoch nicht so sein.
bb) Insbesondere Ärzte
Rn. 37
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die Tätigkeit eines sonst selbstständigen Arztes beim Arbeitsamt ist wegen seiner Eingliederung dort in Übereinstimmung mit dem oben angegebenen Grundsatz eine nichtselbstständige Tätigkeit (FG SchlH EFG 1957, 294); ebenso die zivilen Musterungsärzte der Bundeswehr (StEK EStG § 19 R 49). Anderes gilt nach der Rspr mE für die Knappschaftsärzte mit eigener Praxis trotz verschiedener für Nichtselbstständigkeit sprechender Umstände wie Versorgung, Bindung im Hinblick auf Ort und Lage der Praxis (BFH BStBl III 1959, 344; R 18.1 EStR 2012) sowie für die Ruhrknappschaftsärzte (BFH BStBl III 1960, 88). Selbstständigkeit – wird insofern zutreffend – auch bejaht für einen Gefängnisarzt mit freiberuflicher Facharztpraxis (FG Münster DStZE 1960, 303); ebenso – allerdings fraglich – für hauptamtlich tätige Vertragsärzte bei Justizvollzugsanstalten mangels Eingliederung (OFD Münster StEK EStG § 18 Nr 92).
Rn. 38
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Für Ärzte mit vertraglichen Bindungen zu Krankenhäusern gilt nach der Rspr Folgendes:
Hat der Arzt eine eigene Praxis und ist er derart als Krankenhausarzt tätig, dass er für die Behandlung bestimmter Patienten eine eigene Liquidationsbefugnis hat, so liegt insgesamt eine selbstständige Tätigkeit vor; erhält er in diesem Fall für die Kassenpatienten und die allg Krankenpflege eine feste Vergütung, so kommt es auf die Regelung im einzelnen Fall an, ob insoweit eine freiberufliche oder ArbN-Tätigkeit gegeben ist.
Hat der Krankenhausarzt keine eigene Praxis, erhält er eine feste Vergütung, ist er aber sonst in den Organismus des Krankenhauses nicht eingegliedert, übernimmt er vielmehr lediglich die Führung und Überwachung der gesamten Krankenfürsorge, ggf auch die Behandlung der Kassenpatienten, wofür ihm Operationssaal, Instrumente usw zur Verfügung gestellt werden, dann kann unter Umständen ein Dienstvertrag nicht beabsichtigt sein, so dass im ganzen Umfange eine freiberufliche Tätigkeit vorliegen kann. Die vertragliche Gestaltung kann jedoch auch für eine unselbstständige Tätigkeit sprechen (s Rn 45), wenn ein festes Anstellungsverhältnis besteht, durch das der Krankenhausarzt wie ein sonstiger ArbN in den Betrieb des Krankenhauses eingeordnet ist (BFH BStBl III 1953, 142; BStBl II 1972, 213). Das könne auch gelten, wenn der Vertreter ohne eigene Praxis mehrere Vertretungen übernommen habe (BFH BStBl II 1972, 213).
ME stellen auch diese Ausführungen zu wenig auf die Frage der tatsächlichen Eingliederung und zu sehr auf den formalen Vertragswillen ab. Die "Führung und Überwachung der gesamten Krankenfürsorge" als zentrale Aufgabe einer Klinik kennzeichnet die tatsächliche Eingliederung unabhängig von dem Namen, den die Beteiligten dem Vertragsverhältnis geben wollten – umso mehr, wenn er zudem eine feste Vergütung bezieht. Entsprechendes gilt mE, wenn ein Arzt ohne eigene Praxis innerhalb eines Krankenhauses regelmäßig mehrere Vertretungen übernimmt.
bc) Vertretungen
Rn. 39
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die steuerrechtliche Einordnung der Vertretung von Ärzten und RA hängt von der Gestaltung und Durchführung des Vertretungsverhältnisses ab. Selbstständige Tätigkeit des Vertreters ist, auch ohne dass ein Nebenberuf vorliegt, anzunehmen, wenn und weil der Vertreter eines Arztes/RA idR nach seinem eigenen geistigen Vermögen in voller Entscheidungsfreiheit die ärztliche/anwaltliche Tätigkeit ausübt (BFH BStBl III 1953, 142; BStBl II 1972, 213; 1972, 214). Die Einhaltung der Sprechstunden, Benutzung der sachlichen und personellen Hilfsmittel stellen nur äußere Bindungen dar und sind von unwesentlicher Bedeutung (vgl BFH BStBl III 1958, 384). Selbstständigkeit liegt nur dann nicht vor, wenn der Vertreter in einem festen Anstellungsverhältnis zu dem Vertretenen steht, kraft dessen er auch in Bezug auf die Behandlungs-/Verhandlungsmethode den Weisungen des Praxis-/Kanzleiinhabers zu folgen hat (BFH BStBl II 1968, 811; Bowitz, StB 2015, 185).
Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Vertretung durch einen bereits in einem Angestelltenverhältnis stehenden Arzt/Assessor übernommen wird (vgl RFH RStBl 1929, 598; RStBl 1931, 923). Zu den Prüfungskriterien OFD Ka v 24.04.2006, DStR 2006, 1041.
Rn. 40
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Problematisch erscheint, inwieweit das Fehlen von Unternehmerrisiko die Einordnung von Arzt- und RA-Vertretungen tragen kann. Nach mE zutreffender Ansicht kann dieser Gesichtspunkt jedoch nur zusammen mit anderen Umstanden für Nichtselbstständigkeit sprechen, zB wie im "Apothekenfall" (BFH BStBl II 1979, 414), in dem der BFH das Fehlen von Unternehmerrisiko und Anwesenheitspflichten des Vertreters gemäß berufsrechtlicher Vorschriften gewertet hat (ähnlich Krüger in Schmidt, § 19 EStG Rz 35 "Urlaubsvertreter"; Offerhaus, NJW 1979, 2499, 2503; StBp 1981, 262). Lä...