Rn. 611
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die zeitweilige Einstellung der Berufstätigkeit ist weitere Voraussetzung für die Annahme einer begünstigten Veräußerung des Vermögens der selbstständigen Tätigkeit oder der Aufgabe derselben (so schon BFH BStBl III 1956, 205). Das bedeutet, dass die Tätigkeit am Ort ihrer bisherigen Ausübung wenigstens für eine gewisse Zeit nicht mehr ausgeübt wird und dies nach außen in Erscheinung tritt (BFH BStBl II 1975, 661; 1986, 335; 1992, 457; 1994, 925; 1997, 498; 2019, 64; BFH/NV 2001, 33; 2020, 507; Richter, FS Korn, 131, 135; Krohn, AktStR 2019, 83; kritisch Iwon, DStZ 1990, 23; zur beschränkten Ausnahme s Rn 616). Das beruht auf der Überlegung, dass bei einer fortdauernden Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis auch die Fortsetzung der bisherigen geschäftlichen Beziehungen naheliegt und es deswegen nicht zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen (immateriellen) Betriebsgrundlagen auf den Erwerber kommt (BFH BStBl II 1994, 925; 2019, 64; BFH/NV 2020, 507). Daher können auch Maßnahmen des Veräußerers, die der Wiedergewinnung von Mandaten bei einer von vornherein geplanten Wiederaufnahme der Tätigkeit dienen sollen, die definitive Übertragung des Mandantenstammes von vornherein ausschließen oder die Zeitspanne für die Einstellung der Tätigkeit (s Rn 615a) verlängern (BFH BStBl II 2019, 64; BFH/NV 2020, 507; kritisch Paus, NWB 2019, 1978).
Betroffen ist jedoch nur die in dem veräußerten Betrieb bisher ausgeübte Tätigkeit im bisherigen Wirkungskreis. Die sachliche Fortführung dieser Tätigkeit als Gewerbebetrieb (zB keine Eigenverantwortlichkeit, Einschaltung von Berufsfremden) ist mE schädlich (ebenso Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz 322 (Februar 2020)). Unschädlich ist die Fortführung einer Nebentätigkeit geringen Umfangs, die nicht Teil des veräußerten Betriebs ist, wie zB die Tätigkeit eines Allgemeinmediziners als Betriebs- oder Truppenarzt (vgl BFH BStBl II 1992, 457). Gleiches gilt mE für die Ausübung/Fortführung einer nach Ausbildung, beruflichem Werdegang oder Aufgabenstellung anders gearteten Tätigkeit mit eigenem Kundenkreis (vgl BFH BStBl II 1978, 562; 2005, 208; hierzu die Bsp in s Rn 639).
Rn. 612
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die Weiterführung derselben Tätigkeit an/in einem anderen Ort/Ortsteil steht der Annahme der Betriebsveräußerung nicht entgegen (BFH HFR 1961, 622; BFH BStBl III 1964, 120; BStBl II 1989, 973). Der Rspr ist insoweit zuzustimmen; denn die weitere Ausübung der Tätigkeit am selben Ort birgt die Gefahr, dass nicht der gesamte Mandantenstamm – wie vereinbart – übertragen wird (vgl Brandt in H/H/R, § 18 EStG Rz 321 (Februar 2020); enger: Stuhrmann in K/S/M, § 18 EStG Rz D 16).
Rn. 613
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Unschädlich ist im Übrigen die Fortsetzung der Berufstätigkeit als ArbN oder freier Mitarbeiter im Namen und für Rechnung des Praxiserwerbers. Denn dieser ist rechtlich und wirtschaftlich in der Lage, die ihm übertragenen Mandantenbeziehungen des Veräußerers zu verwerten (BFH BStBl II 2019, 64; BFH BFH/NV 2020, 507). In beiden Fällen ist der Praxiswert bzw der Mandantenstamm nunmehr dem Erwerber zuzurechnen (BFH BStBl II 1994, 925; BFH/NV 1995, 109).
Rn. 614
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Das Erfordernis der zeitweiligen Einstellung der freien Berufstätigkeit galt (und gilt) jedoch nur für die Veräußerung des gesamten Unternehmens (Praxis, Kanzlei uÄ), eines Teilbetriebs oder eines ganzen Mitunternehmeranteils hieran. Für die Fälle der Veräußerung von Teilen von Mitunternehmeranteilen (s Rn 608) hat der BFH anders entschieden (BFH BStBl II 1985, 695). In diesen Fällen galt die Überleitung des Mandantenvertrauens innerhalb einer PersGes auch dann als sichergestellt, wenn "Teile von Mitunternehmeranteilen" übertragen werden (BFH BStBl II 1995, 407; 1997, 498).