Rn. 302
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Aufgrund der Rspr des BFH aus dem Jahr 2005 (s BFH BStBl II 2005, 782; 2005, 785; 2005, 788; 2005, 789; 2005, 791) ist das steuerrechtliche Reisekostenrecht neu konzipiert und vereinfacht worden. Grundlage dieser neuen Rspr ist die konsequente Anwendung des objektiven Nettoprinzips. Dies bedeutet, dass die Kosten, die zur Erzielung von Einnahmen aufgewendet werden, als Erwerbsaufwendungen (BA/WK) in tatsächlich entstandener Höhe abziehbar sind. Der Gesetzgeber darf allerdings das objektive Nettoprinzip einschränken, wenn dafür sachliche und folgerichtige Erwägungen angeführt werden können, zB bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG), bei der doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG) und bei den Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand (§ 4 Abs 5 Nr 5 EStG).
Für die folgerichtige Auslegung der Vorschriften zur Einschränkung des objektiven Nettoprinzips ist der Begriff der Arbeitsstätte von zentraler Bedeutung. Arbeitsstätte ist jede dauerhafte betriebliche Einrichtung des ArbG, der der ArbN zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht, s BFH BStBl II 2005, 789. Die Art der dort geleisteten Arbeit und deren zeitlicher Umfang sind für den Charakter als regelmäßige Arbeitsstätte nicht erheblich. So reicht es schon aus, wenn der ArbN den Betrieb des ArbG nur aufsucht, um von dort aus zur auswärtigen Einsatzstelle befördert zu werden oder um von dort aus mit dem Lkw oder dem Bus die Fahrtätigkeit aufzunehmen. Nach dieser Rspr waren mehrere regelmäßige Arbeitsstätten möglich.
Rn. 303
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
An dieser Rspr hält der LSt-Senat des BFH nicht mehr fest, s BFH BStBl II 2012, 38. Er begründet dieses damit, dass der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines ArbN nur an einem Ort liegen könne. Denn nur insoweit könne sich ein ArbN auf die Wegstrecke zwischen seiner Wohnung und seiner beruflichen Tätigkeitsstätte kostenmindernd einstellen.
Ist ein ArbN an mehreren betrieblichen Einrichtungen seines ArbG tätig, ist der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit näher zu bestimmen. Hierbei ist nach Auffassung des BFH insbesondere zu berücksichtigen,
- welcher fortdauernd und immer wieder aufgesuchten Tätigkeitsstätte ein ArbN von seinem ArbG zugeordnet wurde und
- welche Qualität sowie
- welcher zeitliche Umfang der Tätigkeit in der betrieblichen Einrichtung des ArbG vorliegt.
Der Betriebssitz des ArbG, den der ArbN zwar regelmäßig, aber lediglich zu Kontrollzwecken aufsucht, ohne damit seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachzugehen, ist nicht die regelmäßige Arbeitsstätte iSd § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG – ab VZ 2014 nunmehr Tätigkeitsstätte –, s BFH BStBl II 2012, 34.
Ein Mitarbeiter begründet nur dann eine erste Tätigkeitsstätte an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines ArbG, wenn die dort ausgeübte Tätigkeit von vornherein als dauerhaft anzusehen ist. Sie darf nicht eine nur vorrübergehende Auswärtstätigkeit sein. Das ergibt sich aus dem von der Rspr dargelegten objektiven Nettoprinzip, s BFH BStBl II 2005, 782. Ist der ArbN an einer betrieblichen Einrichtung des ArbG nur vorübergehend tätig, ist eine weitergehende Prüfung der ersten Tätigkeitsstätte hinfällig. Ist er hingegen dort dauerhaft tätig, muss eine weitergehende Prüfung erfolgen.
Die Zuordnung des ArbN dürfte sich in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Dabei stellt der arbeitsrechtlich vereinbarte Dienstsitz ein wesentliches Indiz für die Zuordnung des ArbN dar. Fehlt es an einer arbeitsvertraglichen Zuordnung, ist die erste Tätigkeitsstätte aus dem gesamten Tätigkeitsbild des ArbN herzuleiten.
Die FinVerw (BMF BStBl I 2020, 1228 Rz 3–46 mit Beispielen)) geht von einer regelmäßigen Arbeitsstätte aus – ab VZ 2014 erster Tätigkeitsstätte –, wenn der ArbN aufgrund der dienstrechtlichen/arbeitsvertraglichen Festlegungen
- einer betrieblichen Einrichtung des ArbG dauerhaft zugeordnet ist oder
- in einer betrieblichen Einrichtung des ArbG
- arbeitstäglich,
- je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
- mindestens ein Drittel der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit
tägig werden soll (Prognoseentscheidung).
Wird im Einzelfall geltend gemacht, dass entsprechend den Grundsätzen der BFH-Entscheidungen eine andere betriebliche Einrichtung des ArbG eine regelmäßige Arbeitsstätte ist oder keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt, ist dieses anhand des inhaltlichen Schwerpunktes der beruflichen Tätigkeit nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.
Bei der Zuordnung einer dauerhaften betrieblichen Einrichtung des ArbG ist es unerheblich, in welchem Umfang die berufliche Tätigkeit an dieser oder an den anderen Tätigkeitsstätten ausgeübt werden soll, s BMF aaO Rz 8; BFH BStBl II 2019, 536.
Rn. 304
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Für Wege zwischen Wohnung und wechselnden Einsatzstellen gilt die Entfernungspauschale nicht. Hier sind die tatsächlichen Kosten als WK abziehbar.
Fährt der ArbN regelmäßig zu einem Treffpunkt, um von dort zu ständig ...