Markus Fahsel, Maik Bergan
Rn. 127
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
§ 19a Abs 4 S 4 EStG macht von der vorzunehmenden Nachversteuerung der Höhe nach zwei Ausnahmen, und zwar
- bei Wertverlust der Beteiligung (Hs 1, s Rn 127a) bzw
- im Falle des Rückerwerbs bei Beendigung des Dienstverhältnisses (Hs 2, s Rn 128a).
Rn. 127a
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Ist der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen des ArbN bei der verbilligten Übertragung niedriger als der nach § 19a Abs 1 EStG nicht besteuerte Arbeitslohn, so unterliegt nur der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen der Besteuerung, § 19a Abs 4 S 4 Hs 1 EStG.
Die Regelung erscheint aus systematischer Sicht bedenklich (kritisch auch Briese, BB 2023, 1434, 1435). Wertminderungen der Beteiligung unterliegen den Regelungen der §§ 17 bzw 20 EStG (bzw § 23 EStG für Altfälle) und sind dort zu berücksichtigen, s zuletzt BFH v 14.12.2023, VI R 1/21, DStR 2024, 483 Rz 32. Diese Systematik durchbrechend hat der Gesetzgeber angeordnet, dass Wertminderungen bereits iRd § 19 EStG zu berücksichtigen sind und eine Besteuerung bereits zu diesem Zeitpunkt unterbleiben soll.
§ 19a Abs 4 S 4 Hs 1 EStG ist daher uE eine spezielle gesetzliche Billigkeitsregelung iRd Steuerfestsetzung, die insoweit allg Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO ausschließt. Der ArbN soll einen nicht mehr existenten Vorteil auch nicht mehr versteuern müssen, in diesem Sinne auch BT-Drs 19/27631, 111.
Rn. 128
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Besteuert wird folglich nur der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung im Zeitpunkt der Nachversteuerung nach § 19a Abs 4 S 1 EStG abzüglich geleisteter Zuzahlungen. Übersteigen die Zuzahlungen den gemeinen Wert im Zeitpunkt der Nachversteuerung, ist kein Verlust zu berücksichtigen; es erfolgt ein Ansatz mit einem Wert von EUR 0 (s Fahsel/Bergan, FR 2021, 729, 737; Bleschick in BeckOK EStG, § 19a EStG Rz 269 (03/2024); BMF v 01.06.2024, BStBl I 2024, 946 Rz 51). Dies folgt aus dem Verständnis von § 19a Abs 4 S 4 Alt. 1 EStG als spezielle gesetzliche Billigkeitsregelung, die lediglich eine Besteuerung verhindern will, darüber hinaus aber nicht zu einer Steuerermäßigung iRd LSt-Abzugs führen soll.
Bestätigt wird dieses Verständnis durch § 19a Abs 4 S 5 EStG, der das Verhältnis zu den §§ 17 und 20 EStG regelt. Hiernach gilt neben den geleisteten Zuzahlungen der tatsächlich besteuerte Arbeitslohn als AK iSd §§ 17 und 20 EStG. Kommt es aufgrund des zwischenzeitlich eintretenden Wertverlustes zu keiner Besteuerung, verbleibt als Ansatz in der Folge nur die iRd Erwerbes geleistete Zuzahlung.
Beispiele (nach BMF v 01.06.2024, BStBl I 2024, 946 Rz 50 mit Ergänzung):
|
A |
B |
C |
D |
E |
F |
G |
H |
gemeiner Wert bei Überlassung |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
Zuzahlung des ArbN |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
1 500 |
1 500 |
1 500 |
steuerfrei nach § 3 Nr 39 EStG |
2000 |
2 000 |
2 000 |
2 000 |
2 000 |
2 000 |
2 000 |
2 000 |
nicht besteuerter Vorteil |
8 000 |
8 000 |
8 000 |
8 000 |
8 000 |
6 500 |
6 500 |
6 500 |
AK §§ 17, 20 EStG |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
10 000 |
Verkauf für … bzw gem Wert nach Ablauf von 15 Jahren/bei Beendigung des Dienstverhältnisses von … |
12 000 |
9 000 |
7 000 |
8 000 |
7 999 |
9 000 |
7 000 |
Totalverlust |
nachgeholt zu besteuern |
8 000 (weil 12 000 ≥ 8 000) |
8 000 (weil 9 000 ≥ 8 0) |
7 000 (weil 7 000 < 8 000) |
8 000 (weil 8 000 = 8 000) |
7 999 (weil 7 9999 < 8 000) |
6 500 (weil [9 000–1 500] ≥ 6 500) |
5 500 (weil [7 000–1 500] < 6 500) |
0 (weil [0–1 500] < 6 500) |
geänderte AK |
nein |
nein |
7 000 |
nein |
7 999 |
nein |
7 000 (1 500 + 5 500) |
1 500 (1 500 + 0) |
zu besteuern nach §§ 17, 20 EStG |
2 000 (12 000–10 000) |
–1 000 (9 000–10 000) |
0 (7 000–7 000) |
–2 0000 (8 000–10 000) |
0 (7 9999–7 9999) |
–1 000 (9 000–10 000) |
0 (7 000–7 000) |
–1 500 (0–1 500) |
Die Beispiele D und E machen deutlich, dass die Anwendung der Billigkeitsregelung in § 19a Abs 4 S 4 Hs 1 und 5 EStG, die uE zwingend ist ("so unterliegt nur…"), in Fällen in denen der Verkaufspreis nur geringfügig unter dem nicht besteuerten Vorteil liegt, im Ergebnis der Freibetrag nach § 3 Nr 39 EStG iRd Besteuerung nach §§ 17, 20 EStG "verloren geht".
Dieses Ergebnis erscheint unsystematisch. Im Rahmen einer gesetzlichen Billigkeitsregelung hat der Gesetzgeber uE jedoch einen weiten Spielraum. Ordnet er eine endgültige Nichtbesteuerung an, so ist es ihm uE auch möglich, dies mit der Minderung anderer Vergünstigungen (hier einer Verlustberücksichtigung) zu verknüpfen.
Rn. 128a
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Gem § 19a Abs 4 S 4 Hs 2 EStG tritt in den Fällen des S 1 Nr 3 (Beendigung des Dienstverhältnisses) bei einem Rückerwerb der Vermögensbeteiligung durch den ArbG, einen Gesellschafter des ArbG oder einem Unternehmen iSd § 18 AktG an die Stelle des gemeinen Werts die vom ArbG gewährte Vergütung. Durch diese im Rahmen des ZuFinG ab 2024 (auch für vor 2024 an den ArbN übertragene Vermögensbeteiligungen, s BMF v 01.06.2024, BStBl I 2024, 946 Rz 50.1) geschaffene weitere – und unabhängig von Alt. 1 geltende (s Bergan/Fahsel, NWB 2023, 3453, 3458) – Billigkeitsregelung will der Geset...