1. Standort und Normzweck
Rn. 154
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
§ 2 Abs 2 EStG bestimmt die Einkünfteermittlung und gehört damit (wie § 9b EStG) zu einer den §§ 4ff EStG gedanklich vorgelagerten Gruppe von Normen, die den "Allgemeinen Teil" der Einkünfteermittlung bilden.
Rn. 155
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
§ 2 Abs 2 EStG stellt zwei Gruppen von Einkunftsarten einander gegenüber (Dualismus der Einkünfte, s BFH BStBl II 1994, 289 und s Rn 71):
(1) |
Gewinneinkünfte: §§ 4–7k, § 13a EStG gelten. Der Klammerhinweis in § 2 Abs 2 Nr 1 EStG wurde durch Art 1 Nr 3a JStG 2010 (v 08.12.2010, BGBl I 2010, 1768) um den Verweis auf § 13a EStG erweitert. Dies ist nur eine klarstellende Regelung (BT-Drucks 17/2249, 50), was bisher mE ganz einhellige Meinung war (s Rn 160). Eigentlich müsste das Klammerzitat §§ 4–7h, § 13a EStG lauten, da § 7k EStG durch Art 5 Nr 5, Art 16 Abs 2 ZollkodexAnpG v 22.12.2014, BGBl I 2014, 2417 mit Wirkung ab 01.01.2015 weggefallen ist. Der Gesetzgeber sollte bei Gelegenheit diese redaktionelle Ungereimtheit beseitigen. |
(2) |
Überschusseinkünfte: §§ 8–9a EStG gelten grds; zur Ausnahme in § 2 Abs 2 S 2 EStG ab nach dem 31.12.2008 zufließende KapErtr wegen der AbgSt s Rn 188a, 188b. |
Dabei verknüpft § 2 Abs 2 EStG Einkunftsarten mit Einkunftsermittlungsvorschriften.
2. Der Dualismus der Einkunftsarten
Rn. 156
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Dieser Dualismus folgt nicht schon unmittelbar aus der Gegenüberstellung der Begriffe "Gewinn" und "Überschuss der Einnahmen über die WK". Er lässt sich auch nicht ohne weiteres aus den Vorschriften ablesen, auf die § 2 Abs 2 EStG verweist. Er tritt jedoch in der näheren Ausformulierung der Einkunftsarten durch die §§ 13ff EStG und in der praktischen Handhabung dieser Bestimmungen hervor. Nach einer Aussage in den Materialien zum EStG 1925 (Verhandlungen des Reichstages, 3. Wahlperiode, Bd 400, Anlage Nr 795, 40, Berlin 1925) hängt die Bildung von zwei Einkünftegruppen mit der unterschiedlichen Bedeutung des zum Einkünfteerwerb eingesetzten Vermögens zusammen. Während bei den ersten drei Einkunftsarten die Entwicklung des der Berufs- oder Erwerbstätigkeit gewidmeten Vermögens einen wichtigen Faktor des wirtschaftlichen Erfolgs bilde, könne die Vermögensentwicklung bei den anderen vier Einkunftsarten vernachlässigt werden. Denn hier werde entweder gar kein Vermögen eingesetzt oder es könnten doch nur die Vermögenserträge interessieren. Die ersten drei Einkunftsarten werden danach als vermögensorientiert angesehen.
Rn. 157
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Davon ausgehend folgen die ersten drei Einkunftsarten dem Gedanken einer – modifizierten, nämlich auf eine bestimmte Vermögensmasse, das BV, beschränkten – Reinvermögenszugangsbesteuerung (s Rn 25). Nach ihr werden die Mehrungen und Minderungen des zur Einkünfteerzielung eingesetzten Vermögens selbst als Einkünftebestandteil behandelt. Die für die letzten vier Einkunftsarten vorgeschriebene Überschussrechnung unterscheidet dagegen nach dem Grundgedanken der Quellentheorie zwischen dem zur Einkünfteerzielung eingesetzten Vermögen und den mit Hilfe dieses Vermögens erwirtschafteten Erträgen (s Rn 26). Sie bezieht im Wesentlichen nur die zur "Einkommenssphäre" gerechneten Vermögenszu- und -abgänge ein, Änderungen des eingesetzten Vermögens in der sog "Vermögenssphäre" bleiben außer Acht.
Rn. 158
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Die Bedeutung des Dualismus der Einkünfte ist jedoch begrenzt. Eine strikte Trennung wird nicht durchgeführt.
Beispiele:
- Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG liegt näher bei den Überschusseinkünften als beim BV-Vergleich.
- AfA können nicht nur Gewinneinkünftler, sondern auch Überschusseinkünftler (VuV) geltend machen (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG).
- § 23 EStG (betreffend PV) erfasst auch bestimmte Veräußerungsgewinne, während dies grds (abgesehen von § 20 EStG) nur die Gewinneinkünfte tun. Zur Einschränkung des § 23 Abs 1 S 1 Nr 2 S 2 EStG durch Art 1 Nr 13 JStG 2010 (v 08.12.2010, BGBl I 2010, 1768) s Rn 123 "Jahreswagen".