Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 1471
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
§ 20 Abs 4a S 4 EStG enthält eine Erleichterung für Kreditinstitute bei der Bewertung von sogenannten Bezugsrechten.
Erhöht eine AG, eine GmbH oder eine ausländische KapGes ihr Grund- bzw Stammkapital gegen Einlage, erwirbt der Anteilseigner durch Gewährung der Bezugsrechte einen Anspruch auf entgeltlichen Erwerb der neuen Anteile nach § 186 AktG bzw § 55 GmbHG. Diese Bezugsrechte sind Bestandteil seines Gesellschafterrechts und scheiden mit ihrer Zuteilung aus der Substanz der bisherigen Anteile aus. Die Kapitalerhöhung gegen Einlage in das Grund- bzw Stammkapital führt zu einer Abspaltung der im bisherigen Anteil verkörperten Substanz und dementsprechend zu einer Abspaltung eines Teils der ursprünglichen AK. Die bisherigen AK der Anteile vermindern sich um den Teil, der durch die Abspaltung auf die Bezugsrechte entfällt (Gesamtwertmethode), BFH v 19.12.2000, IX R 100/97; s BT-Drucks 16/10189, 50.
Bei vor dem 01.01.2009 angeschafften Anteilen ist im Falle der Ausübung der Kurswert, mit dem die Bezugsrechte in das Depot des Anteilseigners eingebucht wurden, bei den AK der jungen Aktien zusätzlich zu dem Kaufpreis der Aktien anzusetzen (BFH v 09.05.2017, VIII R 54/14, BStBl II 2018, 262). Kann kein Kurswert für das Bezugsrecht ermittelt werden, ist der innere Wert des Bezugsrechts bei der Berechnung der AK der jungen Aktien zu berücksichtigen (BMF v 19.05.2022, BStBl I 2022, 742 [Einzelfragen zur AbgSt] Tz 110). Der Wert des Bezugsrechts eines Altaktionärs wird auf der Basis seiner bisherigen Aktienanteile, dem alten Aktienkurs sowie dem Bezugskurs für die neuen Aktien bestimmt. Der Wert des Bezugsrechts wird nach folgender Formel bestimmt:
Kurs der alten Aktie ./. Kaufpreis der neuen Aktie |
= |
Wert des Bezugsrechts |
Bezugsverhältnis + 1 |
Beispiel 1:
Die S-AG erhöht ihr Kapital von EUR 500 000 um EUR 100 000 auf EUR 600 000. Das Bezugsverhältnis beträgt in diesem Fall 5:1. Der Kurs der alten Aktie liegt bei EUR 20. Die jungen Aktien können für EUR 8 bezogen werden. Die Altaktien wurden vor dem 01.01.2009 angeschafft.
EUR 20 ./. EUR 8 |
= |
EUR 2 ist der Wert des Bezugsrechts |
(5 : 1) + 1 |
Das Bezugsrecht einer Aktie wäre hier rein rechnerisch EUR 2 wert. Im Ergebnis wird die Ersparnis bei dem Bezug der neuen Aktie auf die abgespaltenen Altaktien und auf die neue Aktie verteilt.
Ermittlung der AK der jungen Aktie:
5 x EUR 2 + Zuzahlungsbetrag EUR 8 = EUR 18.
Zu den Altaktien:
Die AK der fünf Aktaktien vermindern sich um je EUR 2.
Die Ermittlung von Bezugsrechtswerten stellt die Kreditinstitute in vielen Fällen vor gravierende Probleme, die zudem letztlich keiner befriedigenden Lösung zugeführt werden können. Bei handelbaren Bezugsrechten fehlt häufig am ersten Handelstag ein Kurs, auf dessen Grundlage die Berechnung nach der Gesamtwerttheorie erfolgen kann. Bei nicht handelbaren Bezugsrechten, für die ohnehin keine Kurse festgestellt werden können, besteht nur die Möglichkeit der rein rechnerischen Bezugsrechtswertermittlung, die in Einzelfällen zu nicht realistischen – zB negativen – Werten führen kann. Größte Unsicherheit besteht bei im Ausland stattfindenden Kapitalmaßnahmen, bei denen nur in seltenen Fällen ausreichende Informationen für deren zuverlässige Beurteilung nach deutschen steuerlichen Grundsätzen vorliegen und eine zutreffende Qualifikation und Bewertung von Bezugsrechten erfolgen kann.
Nach § 20 Abs 4a S 4 EStG wird, wenn die Altanteile vom Anteilseigner nach dem 31.12.2008 angeschafft wurden, die AK der Bezugsrechte mit null Euro angesetzt. Dadurch können die mit dem Bezugsrecht zusammenhängenden Kapitalmaßnahmen iRd AbgSt in einem Massenverfahren zeitpunktgenau praktisch abgewickelt werden, denn zum einen vermindert sich der Wert der AK der Altanteile nicht, zum anderen braucht bei der Veräußerung von Bezugsrechten deren schwer zu ermittelnder Wert nicht ermittelt zu werden. Schließlich wirkt sich der Wert des Bezugsrechts nicht auf die AK der auf Grund der Ausübung des Bezugsrechts erhaltenen Anteile aus (s BT-Drucks 16/10189, 50).
Beispiel 2:
Wie in Beispiel 1, jedoch wurden die Anteile nach dem 31.12.2008 angeschafft.
Ermittlung der AK der neuen Aktie:
5 x EUR 0 + Zuzahlungsbetrag EUR 8 = EUR 8.
Die AK der fünf Aktaktien vermindern sich nicht (auch s BMF v 17.01.2019, BStBl I 2019, 51 Tz 110 mit einem Bespiel, in dem der StPfl Aktien besitzt, die er sowohl vor dem 01.01.2009 als auch nach dem 31.12.2008 angeschafft hat).