Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
A. Grundsätzliches
Rn. 1410
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Nach § 20 Abs 3 EStG gehören zu den Einkünften aus KapVerm auch besondere Entgelte und Vorteile, die neben den in § 20 Abs 1 u 2 EStG bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden. Dabei enthält § 20 Abs 3 EStG keinen selbstständigen Besteuerungstatbestand, sondern nur
eine Klarstellung des Umfangs der Einnahmen nach § 20 Abs 1 und 2 EStG. Unabhängig von der Bezeichnung werden alle Vermögensmehrungen erfasst, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Entgelt für die Kapitalüberlassung darstellen (BFH vom 21.10.1997, VIII R 18/96, BFH/NV 1998, 582 zu der Vorgängerregelung § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG; BFH vom 09.04.2013, VIII R 19/11, BStBl II 2013, 689; BFH vom 16.03.2010, VIII R 4/07, BStBl II 2014, 147). Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Leistung des Dritten an die Stelle der oder neben die Einnahmen gemäß § 20 Abs 1 Nr 1 EStG tritt (BFH vom 16.12.2008, VIII B 29/07, BFH/NV 2009, 574). Der BFH hat es daher ausdrücklich abgelehnt, Leistungen Dritter nur unter der zusätzlichen Voraussetzung zu den Einnahmen aus KapVerm zu rechnen, dass sie als Substitut einer ausgefallenen Dividende geleistet werden (BFH vom 07.12.2004, VIII R 70/02, BStBl II 2005, 468).
Es kommt nicht auf die Ertragsbezeichnung an, da § 20 Abs 3 EStG weit auszulegen ist und alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Entgelt für die Kapitalüberlassung darstellen, erfasst.
Durch das StMBG vom 21.12.1993 wurde der jetzige § 20 Abs 3 EStG derart klarstellend erweitert, dass KapErtr nicht nur in Gestalt von Geldeinnahmen, sondern auch in Gestalt von Sachbezügen und anderen geldwerten Vorteilen erzielt werden können (§ 8 Abs 1 EStG). Darunter fallen auch solche Vergütungen, die keine gewinn-, umsatz- oder laufzeitabhängigen Vergütungen für die Kapitalüberlassung sind ("Zinsen" ieS; BFH BFH/NV 1998, 582; BStBl II 1974, 735). Dies gilt für einen Gesellschafter einer KapGes auch dann, wenn bei der KapGes keine vGA vorliegt (BFH BStBl II 1979, 553; zur vGA s Rn 282ff) und wenn die Bereicherung in einem Nutzungsvorteil (zB ersparte Zinsen) besteht, der als WG nicht einlagefähig ist (BFH BStBl II 1986, 178).
Gemäß § 43 Abs 1 S 2 EStG wird auf besondere Entgelte und Vorteile KapSt erhoben.
B. Anwendungsfälle
Rn. 1411
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Zu den besonderen Entgelten oder Vorteilen iSd § 20 Abs 3 EStG iVm § 20 Abs 1 oder 2 EStG gehören zB
- Schadenersatz oder Kulanzerstattungen, die Anleger für Verluste, die aufgrund von Beratungsfehlern im Zusammenhang mit einer Wertpapier-Kapitalanlage erhalten, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer konkreten einzelnen Transaktion besteht, bei der ein konkreter Verlust entstanden ist oder ein stpfl Gewinn vermindert wird. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung ohne eine rechtliche Verpflichtung erfolgt (s BMF vom 19.05.2022, BStBl I 2022, 742 [Einzelfragen zur AbgSt] Tz 83);
- weitergegebene Bestandsprovisionen (kick-backs), wenn die von Investmentgesellschaften an Kreditinstitute für den Vertrieb von Fondsanteilen gezahlte Vermittlungs- oder Kontinuitätsprovisionen (Bestandsprovisionen) dem Kunden (StPfl) vom Kreditinstitut ganz oder teilweise erstattet werden. Sie bemessen sich nach dem beim Kreditinstitut verwahrten Bestand an Fondsanteilen. Die Rückvergütung an den Kunden stellt wirtschaftlich betrachtet einen teilweisen Rückfluss früherer Aufwendungen dar. Es handelt sich daher um KapErtr iSd des § 20 Abs 1 Nr 1 EStG, bei denen die KapSt gemäß § 7 Abs 1 InvStG einbehalten wird (s BMF vom 19.05.2022, BStBl I 2022, 742 [Einzelfragen zur AbgSt] Tz 84);
- ein erhaltenes Agio, das bei der Rückzahlung eines Darlehens über den Nennbetrag hinaus vereinnahmt worden ist (BFH BStBl II 1974, 735);
- ein bei der Darlehenshingabe zurückbehaltenes Damnum, um das der Auszahlungsbetrag verkürzt worden ist (BFH BStBl II 1984, 428);
- ein Bonus, der zB für den Fall gewährt wird, dass ein Bausparvertrag nicht steuer- und prämienschädlich gekündigt wird (OFD Han DB 1984, 537);
- Dividendengarantien und Zinsgarantien, bei denen Dritte den Anteilsbesitzern Mindestdividenden bzw -zinsen garantieren (BFH BStBl II 1993, 602);
- besondere Sachleistungen oder Boni, die neben der Dividende gewährt werden (RFH RStBl 1930, 364);
- Gewinne aus außerordentlichen Geschäftsvorgängen auch in Form von Gratisaktien oder Genussrechten, wenn sie nicht als Gegenleistung für die Überlassung von WG, sondern aufgrund einer bereits vorhandenen Gesellschaftsbeteiligung gewährt werden (Ratschow in Brandis/Heuermann, § 20 EStG Rz 400 (März 2022);
- Mietminderungen bei Zeichnung von Genossenschaftsanteilen, die eine Wohnungsbaugenossenschaft ihren Mitgliedern ohne Verzinsung und Teilhabe an Gewinnausschüttungen gewährt: Die Genossenschaftsmitglieder erzielen dadurch Einkünfte aus KapVerm iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG in der Gestalt eines besonderen Entgeltes (FG BBg vom 15.06.2021, 9 K 9068/20, EFG 2022, 401, Rev VIII R 23/21);
- Gemäß BMF vom 10.12.1999, BStBl I 1999, 1129 führt der Bezug von Telekom-Bonusaktien zu Einnahmen aus KapV...