Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
A. Grundsätzliches
Rn. 1490
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
§ 20 Abs 5 S 1 EStG regelt, dass Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse iSv § 20 Abs 1 Nr 1 u 2 EStG der Anteilseigner erzielt. Anteilseigner ist nach § 20 Abs 5 S 2 EStG derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem KapVerm iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Nach § 20 Abs 5 S 3 EStG sind dem Nießbraucher oder Pfandgläubiger die Einnahmen iSd § 20 Abs 1 Nr 1 oder Nr 2 EStG zuzurechnen und gilt als Anteilseigner.
Die Norm (vormals § 20 Abs 2a EStG) wurde durch das StandOG v 13.09.1993 (BGBl I 1993, 1569) eingeführt und stellt klar, dass ein Dividendenanspruch bis zum Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses unselbständiger Bestandteil des Stammrechts ist und der von demjenigen als KapErtr zu versteuern ist, dem im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses das Stammrecht steuerlich zuzurechnen ist. Vereinbarungen iSd § 101 Nr 2 Hs 2 BGB darüber, wer berechtigt sein soll, die Gewinnanteile zu beziehen, betreffen bereits die Einkommensverwendung und sind daher für die steuerrechtliche Zurechnung von KapErtr nicht maßgebend (s Finanzausschuss v 25.05.1993, BT-Drucks 12/5016, 87).
Die Norm des § 20 Abs 5 EStG entspricht der ständigen Rspr des I. Senats des BFH (BFH v 16.12.1992, I R 32/92) entgegen der Rspr des VIII. Senats des BFH (BFH v 31.10.1989, VIII R 210/83, BStBl II 1990).
Die Regelung des § 20 Abs 5 EStG gilt nur für Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse und nicht für andere Erträge nach § 20 Abs 1 Nr 3–11 EStG. Hier gelten die allgemeinen Zurechnungsregeln (dazu s Rn 59ff).
B. Einkünfteerzielung durch den Anteilseigner (§ 20 Abs 5 S 1 EStG)
Verwaltungsanweisungen:
BMF v 17.12.2013, BStBl I 2014, 63 (Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen).
Rn. 1491
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Einkünfte aus KapVerm iSd § 20 Abs 1 Nr 1 u 2 EStG erzielt nach § 20 Abs 5 S 1 EStG der Anteilseigner. Letzter ist in § 20 Abs 5 S 2 u 3 EStG definiert (s Rn 1492ff).
Einkünfte aus KapVerm iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG können offene, aber auch vGA sein sowie nach § 20 Abs 1 Nr 2 EStG Liquidationserlöse.
Offene Gewinnausschüttungen
Bei einer offenen Gewinnausschüttung ist der Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses für die Zuordnung maßgeblich.
Inkongruente Gewinnausschüttungen können steuerlich nicht nur dann anzuerkennen sein, wenn im Gesellschaftsvertrag gemäß § 29 Abs 3 S 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile festgesetzt ist oder eine Öffnungsklausel besteht. Der Umstand, dass der Gesellschaftsvertrag der GmbH einen von § 29 Abs 3 S 1 GmbH abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel oder eine Öffnungsklausel nicht vorsieht, lässt die zivilrechtliche Wirksamkeit eines unter Zustimmung aller Gesellschafter zustande gekommenen Beschlusses über die abweichende Gewinnverteilung nicht entfallen (s FG Köln v 14.09.2016, 9 K 1560/14, EFG 2016, 1675 rkr; aA BMF v 17.12.2013, BStBl I 2014, 63).
Verdeckte Gewinnausschüttungen
Bei vGA (§ 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG) ist – mangels eines Gewinnausschüttungsbeschlusses – auf die Entstehung der Forderung, somit auf den Abschluss des Kauf-, Miet-, Pacht-, Dienstvertrages, abzustellen (s Wassermeyer, GmbHR 1989, 423). Zur steuerlichen Zurechnung von vGA auch s Breier/Sjdija, GmbHR 2011, 290.
C. Begriff des Anteilseigners (§ 20 Abs 5 S 2 EStG)
Rn. 1492
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Nach § 20 Abs 5 S 2 EStG ist derjenige Anteilseigner, dem nach § 39 AO die Anteile an dem KapVerm iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind.
Somit ist unbeachtlich, ob eine Abtretung des Anspruchs auf Gewinnausschüttung oder auf den Liquidationserlös an eine andere Person vorgenommen wurde. Die Zahlung an den Abtretungsempfänger ist eine steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung.
Nach § 39 Abs 1 AO sind grds dem Eigentümer die WG zuzurechnen, also dem Inhaber des Anteils, ausnahmsweise nach § 39 Abs 1 Nr 1 AO dem wirtschaftlichen Eigentümer (Inhaber), sofern dieser schon nicht der zivilrechtliche Eigentümer (Inhaber) ist:
Wertpapierleihe
Bei der Wertpapierleihe wird der Entleiher nicht Eigentümer der Wertpapiere, weil der Verleiher das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum infolge des Leihvertrages nicht verliert. Einkünfte aus KapVerm (Dividendenberechtigung) erzielt weiterhin der Verleiher (s Rn 72).
Wertpapierpension
Bei einem Wertpapierpensionsgeschäft erfüllt der Pensionsnehmer den Tatbestand der zeitweisen Überlassung von Kapital zur Nutzung (s Rn 65).
Wirtschaftliches Eigentum an börsennotierten Aktien
Bei börsennotierten Aktien geht das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber von einem Bestandsverkäufer zu dem Zeitpunkt über, zu dem ihm nach den Börsenregeln aufgrund des Kaufvertragsabschlusses die Gewinnansprüche nicht mehr entzogen werden können, das Eigentum zu verschaffen ist und ein Besitzkonstitut begründet wird. Dem Käufer sind die Erträge gemäß § 20 Abs 1 Nr 1 EStG iVm § 20 Abs 5 S 1 EStG zuzurechnen (s Lewedag in Schmidt § 20 EStG Rz 231 (41. Auflage), auch zu außerbörslichen Leerverkäufen).
Treuhandverhältnis, Sicherungseigentum
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