1. Überblick
Rn. 550
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Seit Einführung des § 22 Nr 4 EStG gehören die Abgeordnetenbezüge nicht mehr zu den gemäß § 3 Nr 12 EStG steuerfreien Aufwandsentschädigungen, sondern werden seitdem den sonstigen Einkünften zugeordnet.
§ 22 Nr 4 EStG regelt, in welchem Umfang Abgeordnetenbezüge der (deutschen) Besteuerung zu unterwerfen sind. Von der Regelung sind nur die aufgrund des Abgeordnetengesetzes (s Rn 561), des Europaabgeordnetengesetzes bzw EU-Abgeordnetenstatuts (s Rn 562) sowie der entsprechenden Gesetze der (Bundes-)Länder (s Rn 563) in § 22 Nr 4 S 1 EStG genannten Leistungen (s Rn 565 ff und s Rn 580f) erfasst. Erhält ein Abgeordneter zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlassten Aufwendungen eine – nach § 3 Nr 12 EStG steuerfreie – Aufwandsentschädigung, folgt daraus gemäß § 22 Nr 4 S 2 EStG ein umfassendes WK-Abzugsverbot für mandatsbezogene Aufwendungen (s Rn 610ff). In § 22 Nr 4 S 3 EStG ist ergänzend dazu geregelt, dass Wahlkampfkosten nicht als WK abgezogen werden dürfen (s Rn 620ff). Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung der Abgeordnetenbezüge gegenüber anderen Einkunftsarten werden in § 22 Nr 4 S 4 Buchst a–d EStG eine Reihe begünstigender Vorschriften des EStG für entsprechend anwendbar erklärt, namentlich die Steuerfreiheit nach § 3 Nr 62 EStG für Zukunftssicherungsleistungen, die Regelungen zum Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs 2 EStG, die Fünftelregelung gemäß § 34 Abs 1 EStG für Abfindungen und die Anrechnung der europäischen Gemeinschaftssteuer auf die deutsche ESt wie eine ausländische Steuer (s Rn 630ff).
2. Zur Entstehungsgeschichte
Rn. 551
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Nachdem das BVerfG im sog Diätenurteil (BVerfG v 05.11.1975, 2 BvR 193/74, DB 1975, 2267) die frühere Steuerfreistellung der Abgeordnetenbezüge aufgrund geänderten Verständnisses der Abgeordnetentätigkeit – Entwicklung vom Ehrenamt zur Hauptbeschäftigung und Vollalimentation aus der Staatskasse (vgl BT-Drucks 7/5531, 9) – wegen Verstoßes gegen Art 3 GG für verfassungswidrig erklärt hatte, musste der Gesetzgeber eine Neuregelung zur Diätenbesteuerung treffen. Dies erfolgte mit dem Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (AbgG) v 18.02.1977 (BGBl I 1977, 297), s Rn 561. Nach den Bestimmungen dieses Gesetz wurde in § 22 EStG mit Wirkung ab 01.04.1977 die Nr 4 eingefügt, wodurch die darin genannten Abgeordnetenbezüge in Bund und Ländern der StPfl unterworfen wurden. Durch Art 11 Nr 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Angehörige des öffentlichen Dienstes in Landesparlamenten) v 30.07.1979 (BGBl I 1979, 1301) ist § 22 Nr 4 EStG auf Europaabgeordnete ausgeweitet worden.
3. Persönlicher Anwendungsbereich
Rn. 552
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
§ 22 Nr 4 EStG erfasst in persönlicher Hinsicht nur Bundestagsabgeordnete, Landtagsabgeordnete, Abgeordnete des Europaparlaments sowie deren Hinterbliebene, soweit diese Leistungen nach dem jeweiligen AbgeordnetenG beziehen.
Nicht unter die Vorschrift fallen dagegen ehrenamtliche Mitglieder kommunaler Vertretungen, sowie deren kommunale Wahlbeamte, wie etwa Stadt- und Gemeinderäte, Mitglieder der Kreis- und Bezirkstage, Landräte und Bürgermeister, die grds Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit iSd § 18 Abs 1 Nr 3 EStG erzielen (s BFH BStBl II 2009, 405; 1996, 431; 1988, 266; BMF BStBl I 2013, 1087 Rz 56), soweit nicht steuerfreie Aufwandsentschädigungen iSd § 3 Nr 12 EStG vorliegen (BFH BStBl II 1993, 50; R 3.12 Abs 3 S 3 LStR 2015, wonach 1/3 der gewährten Aufwandsentschädigung, mind jedoch 200 EUR monatlich steuerfrei sind).
4. Sachlicher Anwendungsbereich
Rn. 553
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
§ 22 Nr 4 S 1 EStG erfasst Entschädigungen, Amtszulagen, Zuschüsse zu Kranken- und Pflegversicherungsbeiträgen, Übergangsgelder, Überbrückungsgelder, Sterbegelder, Versorgungsabfindungen, Versorgungsbezüge, die Bundestagsabgeordneten aufgrund des AbgG (s Rn 561, 565ff), Europaabgeordneten aufgrund des EuropaabgeordnetenG (EuAbgG, s Rn 562, 580) und Landtagsabgeordneten aufgrund der entsprechenden Gesetze der Länder (s Rn 563, 590) gezahlt werden. Außerdem erfasst diese Vorschrift Entschädigungen, Übergangsgelder, Ruhegehälter und Hinterbliebenenversorgungen, die Europaabgeordnete aufgrund des Abgeordnetenstatuts des Europaparlaments erhalten (EU-Abgeordnetenstatut, s Rn 581).
Bei den in § 22 Nr 4 S 1 EStG genannten Leistungen handelt es sich um eine abschließende Aufzählung. Nur die darin genannten Leistungen unterliegen der Steuerbarkeit (BFH BFH/NV 2004, 189).
Nicht steuerbar nach § 22 Nr 4 S 1 EStG sind somit Bezüge der Abgeordneten, die diese nicht aufgrund des jeweiligen AbgeordnetenG beziehen. Ebenfalls nicht steuerbar sind zB auch die "echten" Aufwandsentschädigungen, die einerseits gemäß § 3 Nr 12 EStG steuerfrei sind, andererseits gemäß § 22 Nr 4 S 2 zu einem vollständigen WK-Abzugsverbot führen (s Rn 610ff).
Rn. 554–559
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
vorläufig frei