1. Grundsatz
Rn. 3
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Die sonstigen Einkünfte sind gegenüber allen anderen Einkunftsarten grds subsidiär. § 22 EStG ist insofern ein Ersatztatbestand, der nur Anwendung findet, wenn die §§ 13–21 EStG nicht einschlägig sind. Für die wiederkehrenden Bezüge ergibt sich dies aus § 22 Nr 1 S 1 EStG, für die sonstigen Leistungen aus § 22 Nr 3 S 1 EStG und für die privaten Veräußerungsgeschäfte aus § 22 Nr 2 EStG iVm § 23 Abs 2 S 1 EStG.
Wegen ihres speziellen Regelungscharakters sind allerdings die Vorschriften in § 22 Nr 1a, 4 u 5 EStG gegenüber den Einkunftsarten nach § 2 Abs 1 Nr 1–6 EStG nicht subsidiär.
Rn. 4
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Innerhalb der Besteuerungstatbestände des § 22 EStG haben die Nr 1, 1a, 2 und 4 gegenüber den sonstigen Leistungseinkünften (§ 22 Nr 3 EStG) Vorrang (Lindberg in Frotscher, § 22 EStG Rz 165 (Dezember 2018)). Die Nr 5 ist zwar in § 22 Nr 3 S 1 EStG nicht erwähnt. Dennoch erscheint aufgrund der darin enthaltenen speziellen Regelungen auch insoweit die Anwendung des § 22 Nr 3 EStG ausgeschlossen, sofern eine Konkurrenz in der Praxis überhaupt vorkommen kann.
2. Verhältnis zu anderen Einkunftsarten
a) Abgrenzung gegenüber betrieblichen Einkünften
Rn. 5
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Ein nicht unbedeutender Bereich von Einkünften, die nicht unter § 22 Nr 1 EStG fallen, sind die betrieblich veranlassten wiederkehrenden Bezüge. Als solche kommen zB nachträgliche Einkünfte (vgl § 24 Nr 2 EStG) aus LuF, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit in Betracht. Diese sind den betreffenden Einkunftsarten (§§ 13, 15, 18 EStG) zuzuordnen. Dementsprechend erfasst § 22 EStG nur private wiederkehrende Bezüge.
Zu den betrieblichen Einkunftsarten zählen zB Veräußerungsrenten, die als Gegenleistung für die Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils erzielt werden. Sind Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen, erzielt der Veräußerer einen nach §§ 14, 16 o 18 Abs 3 EStG steuerbaren betrieblichen Veräußerungsgewinn. Die Anwendung der Vorschriften in § 22 Nr 1 oder 1b EStG aF war dadurch ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung von Eltern auf ihre Kinder erfolgt, da bei Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung eine ansonsten bestehende Vermutung für das Vorliegen eines Versorgungsbedürfnisses und damit die Annahme einer nach § 22 Nr 1b EStG aF steuerbaren Versorgungsrente widerlegt ist (vgl BFH BStBl II 2011, 261; 1992, 465; 1990, 847).
Sofern in derartigen Fällen als Entgelt eine (wagnisbehaftete) Leibrente vereinbart wurde, hat der Veräußerer die Möglichkeit, das Wahlrecht nach R 16 Abs 11 EStR 2012 (einerseits die tarifbegünstige Sofortbesteuerung, andererseits die nicht tarifbegünstigte Besteuerung der laufenden Einnahmen als nachträgliche BE iSd § 24 Nr 2 EStG nach Verrechnung der in den Renten enthaltenen Kapitalanteile mit dem steuerlichen Kapitalkonto) in Anspruch zu nehmen.
Ebenfalls keine sonstigen, sondern freiberufliche Einkünfte liegen vor, wenn ein Kassenarzt von einer kassenärztlichen Vereinigung nachträgliche Honorare iR einer sog erweiterten Honorarverteilung erhält (BFH BStBl II 1977, 29). Laufende Versorgungsleistungen, die die Witwe eines selbstständigen Versicherungsvertreters vom Versicherungsunternehmen erhält, zählen gemäß § 15 Nr 1 EStG iVm § 24 Nr 2 EStG im Jahr des Zuflusses zu den nachträglichen gewerblichen Einkünften (BFH BStBl II 1976, 487).
b) Abgrenzung gegenüber nichtselbstständiger Arbeit
Rn. 6
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Von einem ehemaligen ArbG gezahlte Ruhegelder sind den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit des Beziehers zuzurechnen (§ 19 Abs 1 Nr 2 EStG, § 3 Abs 2 Nr 2 LStDV). Sie werden für eine frühere nichtselbstständige Tätigkeit geleistet und sind deshalb durch das ehemalige Arbeitsverhältnis des ArbN veranlasst. Anders als bei Versorgungsrenten, die von selbstständigen Versorgungseinrichtungen des öffentlichen oder privaten Rechts gewährt werden und die ihren Rechtsgrund in vorangegangenen gesetzlichen oder vertraglichen Beitragsleistungen haben, sind die Ruhegelder nicht versicherungsähnlich und unterliegen deshalb in vollem Umfang der Besteuerung nach § 19 Abs 1 Nr 2 EStG (BFH BStBl III 1960, 105; 1964, 579). Erhält ein ArbN von seinem ArbG iR eines Sozialplans eine Entschädigung für den Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, für die er keine eigenen Beiträge geleistet hat, ist diese ebenfalls dem stpfl Arbeitslohn zuzurechnen (BFH BStBl II 1996, 169 zu Anwartschaften gegenüber der Stiftung eines DDR-Großkombinats).
Unter Umständen sind Ruhegelder als begünstigte Versorgungsbezüge iSd § 19 Abs 2 EStG zu beurteilen (vgl BFH BStBl II 2009, 460 zu während der Zeit eines dem Ruhestand vorgeschalteten Sonderurlaubs gezahlten Bezügen eines Beamten – sog 58er-Regelung). Erforderlich ist aber auch insoweit, dass die Einnahmen auf einem früheren Arbeitsverhältnis beruhen (BFH BFH/NV 2007, 880). Vgl zur Besteuerung von Versorgungsbezügen BMF v 19.08.2013, BStBl I 2013, 1087 Rz 168 ff unter Berücksichtigung der Überarbeitungen.
Rn. 7
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Beruhen die Leistungen mindestens zT...