Rn. 160
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Die andere Vergleichsgröße für die Beantwortung der Frage des Vorliegens einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung ist die Summe der steuerunbelastet bleibenden Teile der voraussichtlichen künftigen Rentenbezüge in der Leistungsphase. Auch diesbezüglich sind noch nicht alle Parameter, welche iRd Ermittlung dieses Wertes zu berücksichtigen sind, abschließend geklärt. Die Ermittlung der zukünftig zu erwartenden Rentenleistungen ist letztlich eine Schätzung, bei der diverse Rechtsfragen (noch) zu klären bzw Wertungen vorzunehmen sind.
Rn. 161
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Unstreitig dürfte zunächst sein, dass der dem StPfl ab Renteneintritt steuerunbelastet zufließende Rententeilbetrag sich aus dem steuerfreien Jahresbetrag der Rente iSd § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst aa S 4 u 5 EStG ergibt, der als Rentenfreibetrag ab dem Jahr, welches dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs in gleichbleibender Höhe als absoluter Betrag von der Jahresrente abgezogen wird (dazu s Rn 119ff).
Rn. 162
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Ebenfalls unstreitig dürfte sein, dass für die Ermittlung der Dauer des zu erwartenden Rentenbezugs auf die durchschnittliche weitere statistische Lebenserwartung des Leistungsempfängers als auf den steuerfreien Rentenfreibetrag anzuwendender Multiplikator abzustellen ist. Die statistische Lebenserwartung soll sich dabei aus der geschlechtsspezifischen, bei Rentenbeginn gültigen, letztverfügbaren Sterbetafel ergeben (BFH BFH/NV 2015, 1369; 2013, 375; Kulosa in H/H/R, § 10 EStG Rz 344 (Dezember 2017)).
Noch nicht abschließend geklärt ist jedoch, auf welche Sterbetafel konkret bei der Ermittlung der zu erwartenden Lebenserwartung abzustellen ist. Das FG BdW hat sich auf die Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes gestützt (FG BdW EFG 2020, 116, Rev X R 33/19). Alternativ könnte aber auch zB auf die "Heubeck-Richttafeln" (BStBl I 2018, 1107) oder die von der Versicherungswirtschaft verwandte Sterbetafel DAV 2004R abgestellt werden (dazu s Dommermuth, FR 2020, 385). Je nachdem, welche Sterbetafel herangezogen wird, ergeben sich unterschiedliche Lebenserwartungen und demzufolge dann auch andere Multiplikatoren, die auf den Rentenfreibetrag angewendet werden. Bei der Entscheidung, welche Sterbetafel zur Anwendung kommen soll, sollte einerseits auf eine möglichst realitätsnahe und damit differenzierte Sterbetafel zurückgegriffen werden, die andererseits vor dem Hintergrund des steuerlichen Massenverfahren aber auch administrierbar ist.
ME birgt vor diesem Hintergrund die Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes, die auf einem Mikrozensus für die Gesamtbevölkerung Deutschlands und der einzelnen Bundesländer basiert, das Problem in sich, dass sie rein vergangenheitsorientierte Zahlen ermittelt und damit tendenziell zu einer zu niedrigen Lebenserwartung kommt. Die DAV 2004R wiederum erfasst keine die Gesamtbevölkerung repräsentierende Gruppe, sondern erfasst nur diejenigen Personen, die sich gesund genug fühlen, eine private oder betriebliche Leibrentenversicherung abzuschließen. Die "Heubeck-Richttafeln" demgegenüber stellen zum einen speziell auf die Lebenserwartung von ArbN ab, die die größte Gruppe der Bezieher gesetzlicher Renten iRd Basisversorgung darstellen, und prognostiziert zum anderen auch Sterblichkeitstrends, berücksichtigt also besser eine zu erwartende längere Lebensdauer jüngerer Jahrgänge. Da die "Heubeck-Richttafeln" zudem bereits iRd Ermittlung von Pensionsrückstellungen gemäß § 6a EStG zum Einsatz kommen, sind diese sowohl den StPfl bzw der FinVerw bereits vertraut und daher auch für den Einsatz im steuerlichen Massenverfahren geeignet, sodass diese eine gute und zielorientierte Alternative zu der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes darstellen.
Rn. 163
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Nachdem der BFH die Frage, ob eine Hinterbliebenenrente des Ehegatten mit einer längeren statistischen Lebenserwartung bei der Ermittlung des voraussichtlich steuerunbelasteten Rentenbetrags zu berücksichtigen ist, offengelassen hat (BFH BFH/NV 2016, 1791), hat das FG BdW nun entschieden, dass diese höhere Lebenserwartung nicht zu berücksichtigen ist. Das Gericht folgert dies aus dem Grundsatz der Individualbesteuerung, wonach bei der ESt als Personensteuer die im Einkommen zu Tage tretende Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Person erfasst werde (FG BdW EFG 2020, 116, Rev X R 33/19; zustimmend etwa Dommermuth, FR 2020, 385). Zudem kann darauf abgestellt werden, dass bei einem Bezieher einer Hinterbliebenenrente niemals eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vorliegen kann, da dieser keine Beiträge, und damit auch keine Beiträge aus versteuerten Einkommen, geleistet haben kann (Kulosa in H/H/R, § 10 EStG Rz 347 (Dezember 2017)).
Rn. 164
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Umstritten ist zurzeit, ob der SA-Abzug für gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Rentners gemäß § 10 Abs 1 Nr 3 EStG als steuerfreier Rentenbezug in die ...