Rn. 79
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Verlängerte Leibrenten oder sog Mindestzeitrenten sind Renten, die auf Lebenszeit des Berechtigten, mindestens aber für eine bestimmte Anzahl von Jahren (Garantiezeit) zu zahlen sind. Stirbt der Berechtigte vor Ablauf der Frist, ist die Rente gleichwohl für die restlichen Jahre der Mindestlaufzeit weiter an die Erben zu entrichten. Stirbt der Rentenberechtigte erst nach Ablauf des festgelegten Mindestzeitraums, ist die Rente jedenfalls bis zu seinem Lebensende weiter zu zahlen.
Eine ausdrückliche Regelung für Mindestzeitrenten enthält das Gesetz nicht. Nach der Rspr können aber insoweit je nach vertraglicher Ausgestaltung die Charakteristika einer Leibrente oder einer (Kaufpreis-)Rate vorliegen. Zur Unterscheidung ist darauf abzustellen, ob die laufenden Zahlungen mehr von den begrifflichen Merkmalen einer Leibrente oder mehr von denjenigen einer (Kaufpreis-)Rate geprägt werden. Dabei ist die Rente nicht in eine Zeitrente und eine weitere, mit Ablauf der Mindestlaufzeit aufschiebend bedingte Leibrente aufzuteilen; vielmehr ist insoweit eine einheitliche Qualifizierung durchzuführen (vgl BFH BStBl II 2010, 24; 2002, 650).
Ist die Laufzeit der Rente abhängig von der voraussichtlichen durchschnittlichen Lebensdauer der Bezugsperson, wird der Charakter der Rente wie bei einer Leibrente von einer durch die Lebenszeit des Berechtigten bestimmten Wagniskomponente geprägt. In diesem Fall ist der Ertragsanteil entsprechend der für Leibrenten geltenden Tabelle in § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG zu ermitteln und nach dieser Vorschrift zu versteuern. Entsprechendes gilt, wenn die Mindestlaufzeit kürzer ist als die voraussichtliche durchschnittliche Lebensdauer, da die Laufzeit der Rente auch insoweit von der durchschnittlichen Lebensdauer des Berechtigten geprägt wird (vgl BFH BStBl II 2010, 24; BFH/NV 2008, 2093).
Geht die Mindestlaufzeit der Rente dagegen über die voraussichtliche durchschnittliche Lebensdauer des Berechtigten deutlich hinaus, wird der Charakter der Rente bestimmt durch ein im Voraus feststehendes Leistungsvolumen. In diesem Fall sind die Rentenzahlungen wie Ratenzahlungen zu behandeln. Die in solchen Raten enthaltenen, grds nach § 20 Abs 1 Nr 7 EStG steuerbaren Zinsanteile sind in der Weise zu ermitteln, dass von der Summe der jährlichen Zahlungen die jährliche Minderung des Barwerts der wiederkehrenden Leistungen abgezogen wird. Der Barwert ist dabei nach finanzmathematischen Grundsätzen unter Verwendung eines Zinsfußes von 5,5 % zu ermitteln und die Barwertminderung nach Maßgabe des § 13 Abs 1 S 1 BewG iVm Anlage 9a, bei verlängerten Leibrenten oder entsprechenden dauernden Lasten nach Maßgabe des § 13 Abs 1 S 2 BewG iVm § 14 BewG zu bestimmen (vgl BFH BStBl II 1993, 298). Aus Vereinfachungsgründen lässt die FinVerw auch die Ermittlung des Zinsanteils in Anlehnung an die Ertragsanteilstabelle in § 55 Abs 2 EStDV zu (BMF v 11.03.2010, BStBl I 2010, 227 Rz 79).
Sofern den Mindestzeitrenten in diesen Fällen (längere Laufzeit als die durchschnittliche Lebenserwartung) ein Versicherungsverhältnis iSd § 20 Abs 1 Nr 6 EStG (Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht und Kapitalversicherung mit Sparanteil) zugrunde liegt, sind die Rentenbezüge allerdings nach der spezielleren Regelung in § 20 Abs 1 Nr 6 EStG zu versteuern. Diese gegenüber der Regelung in § 22 Nr 1 EStG vorrangige Vorschrift weist die Renteneinkünfte im Erlebens- und Rückkaufsfall den Einkünften aus KapVerm zu, "soweit nicht die lebenslange Rentenauszahlung gewählt und erbracht wird". Dies bedeutet, dass sämtliche Rentenzahlungen und damit auch Mindestzeitrenten, die nicht in Form einer Leibrente geleistet werden, den Einkünften aus KapVerm zuzurechnen sind. Falls die Mindestlaufzeit aber der Lebenserwartung entspricht oder kürzer ist als diese, ist der Leibrentencharakter der Renten nicht in Frage gestellt. In diesem Falle unterliegen die Renten der Besteuerung nach § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG mit dem aus der Tabelle ersichtlichen Ertragsanteil (ebenso BMF 01.10.2009, BStBl I 2009, 1172 Rz 20). Zur zeitlichen Anwendung des § 20 Abs 1 Nr 6 EStG s Rn 78 aE.
Rn. 80
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
vorläufig frei