1. Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (§ 23 Abs 1 Nr 1 EStG)
a) Begriffsdefinition
Rn. 55
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Neben Grundstücken unterliegen auch grundstücksgleiche Rechte im Gegensatz zu den sonstigen Rechten der zehnjährigen Behaltefrist des § 23 Abs 1 Nr 1 EStG. Bei einem Gebäude handelt sich um ein eigenständiges WG iSd § 23 Abs 1 Nr 1 EStG (BFH vom 29.03.1989, BStBl II 1989, 652). Da für Zwecke der Fristberechnung nach § 23 EStG eine Anschaffung bzw Veräußerung bereits durch Abschluss des obligatorischen Vertrags und nicht erst durch dingliche Übertragung erfolgt (s Rn 110), ist bereits der Anspruch auf Übertragung (zB aus einem Kaufvertrag, die Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren oder der – entgeltlich erworbene – Restitutionsanspruch, vgl BFH vom 28.06.1977, BStBl II 1977, 827; BFH vom 11.12.2008, BFH/NV 2009, 571) wie ein Grundstück zu betrachten. Allein die Option auf den Erwerb eines Grundstücks unterliegt dagegen nicht § 23 Abs 1 Nr 1 EStG, sondern ist als sonstiges WG iRd § 23 Abs 1 Nr 2 EStG zu betrachten.
Rn. 56
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Miteigentumsanteile an einem Grundstück (Bruchteilseigentum iSd §§ 741ff BGB) werden wie das Grundstück selbst behandelt. Werden mehrere Miteigentumsanteile am selben Grundstück nacheinander erworben, so verliert der hinzuerworbene Anteil seine rechtliche Selbstständigkeit. Ebenso wie bei Anteilen an PersGes (vgl FG D'dorf vom 22.10.2013, BB 2013, 3120) – und anders als bei Anteilen an KapGes – verfügt jeder Miteigentümer nur über einen ungeteilten Miteigentumsanteil.
Die AK für diesen Miteigentumsanteil ermitteln sich damit idR aus den durchschnittlichen AK für alle einzeln erworbenen Miteigentumsanteile. Eine spätere Teilveräußerung kann idR nicht einem bestimmten Bruchteil des Miteigentumsanteils zugerechnet werden, so dass von einer anteiligen Veräußerung, sowohl des neu hinzuerworbenen als auch des bereits bestehenden Miteigentumsanteils, auszugehen ist (vgl BFH vom 20.04.2004, BStBl II 2004, 987, wonach das Grundstück zur Hälfte entgeltlich erworben wurde und nicht der zweite Miteigentumsanteil).
Beispiel:
A erbt im Jahr 2020 von seinem Vater zusammen mit seinem Bruder B je 1/2 eines Privatgrundstücks (Wert EUR 1 Mio; AK durch den Vater im Jahr 2013 TEUR 400). Im Jahr 2022 erwirbt er die Hälfte seines Bruders zu einem Preis von TEUR 600 hinzu und veräußert schließlich in 2024 1/4 des Grundstücks an C zu einem Preis TEUR 400.
Mit dem Erwerb des Grundstücks in 2020 hat A insgesamt AK von TEUR 800 (TEUR 200 aus der unentgeltlichen Übertragung von seinem Vater und TEUR 600 aus dem Erwerb von seinem Bruder). Da die Hälfte der Immobilie in 2022 angeschafft wurde, erfolgt die Veräußerung in 2024 zu 50 % innerhalb von zehn Jahren und führt zu einem privaten Veräußerungsgeschäft.
Im übrigen Umfang wird A die Anschaffung durch seinen Vater zugerechnet und die Veräußerung ist insoweit nicht steuerbar. Der stpfl Veräußerungsgewinn berechnet sich wie folgt:
Veräußerungspreis für 25 % |
TEUR 400 |
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davon 1/2 (innerhalb der Zehnjahresfrist) |
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TEUR 200 |
AK für 25 % (25 % von TEUR 800) |
TEUR 200 |
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davon 1/2 (entgeltlicher Teil) |
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TEUR 100 |
Veräußerungsgewinn |
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TEUR 100 |
Rn. 57
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Eine Ausnahme gilt mE nur, wenn die einzelnen Miteigentumsanteile zivilrechtlich getrennt erworben wurden (zB über verschiedene Gesamthandsgemeinschaften) oder wenn alsbald nach Erwerb eines Grundstücks eine Parzellierung erfolgt und die einzelnen Parzellen aufgrund der unterschiedlichen Lage eindeutig unterschiedliche Werte haben.
Rn. 58
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Ein Bodenschatz stellt ebenfalls ein eigenständiges WG iSd § 23 Abs 1 Nr 1 EStG dar, so dass bei einer Veräußerung innerhalb von 10 Jahren seit der Anschaffung des Bodenschatzes ein stpfl privates Veräußerungsgeschäft vorliegt (vgl FG Mchn vom 13.09.2006, EFG 2007, 188 rkr).
Unklar ist allerdings, wann ein Bodenschatz angeschafft wurde, sofern kein originärer entgeltlicher Erwerb desselben vorliegt. Solange der Bodenschatz im Boden lagert, bildet er sowohl zivilrechtlich als auch steuerlich eine Einheit mit dem Grund und Boden. Ein eigenes (steuerliches) WG Bodenschatz entsteht erst dann, wenn mit seiner Aufschließung (zB durch Stellung eines Antrags auf Abbaugenehmigung) oder Verwertung (zB Veräußerung) begonnen wird (vgl BFH vom 04.12.2006, GrS 1/05, BStBl II 2007, 508). Dies führt aber nicht dazu, dass der Bodenschatz zu diesem Zeitpunkt angeschafft wurde. Da der Bodenschatz schon immer unter dem Grundstück vorhanden war, erfolgte die Anschaffung – und damit der Beginn der Frist des § 23 Abs 1 Nr 1 EStG – bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks.
Rn. 59
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Unter die grundstücksgleichen Rechte fallen die Rechte, auf die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 873ff BGB) über Grundstücke Anwendung finden. Das sind insb das Erbbaurecht, das Wohnungseigentum, das Mineralgewinnungsrecht, das Bergwerkseigentum und die nach Landesrecht als Immobiliarrecht ausgestalteten Rechte (vgl Art 196 EGBGB: ua Berg- und Fischereirechte).
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